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Death Metal und Grindcore sind zwei Genres, die Hand in Hand gehen. Während Death Metal eine aggressivere und dreckigere Variante des Thrash Metal abgibt, kann Grindcore als logische Endkonsequenz des Hardcore Punk angesehen werden. Thrash Metal ist ebenfalls vom Hardcore Punk geprägt. So kam es, dass beide extremen Spielarten fusioniert wurden zu einem Genre, was als Deathgrind bekannt wurde. Cattle Decapitation aus kalifornischen San Diego sind einer der prestigeträchtigsten Vertreter dieses Subgenres und lassen seit dem 12.Mai 2023 mit Terrasite ihr zehntes vollständiges Album auf die Welt los.
1996 wurde die Band gegründet und wurde mit ihrem ultrabrutalen Deathgrind anfangs noch eher belächelt und es ist schon ersichtlich, dass die Anfänge de Band musikalisch schwerfällig waren. Ein Aspekt, der sie von der Masse jedoch seit ihrer Gründung artistisch abheben lässt, ist der Inhalt ihrer Texte. Die Mitglieder leben vegetarisch und vegan und das Hauptaugenmerk der Texte handelt über Tierrechte und Umweltschutz, wobei diese Thematiken äußerst explizit und mit einer klar erkennbaren Misanthropie vorgetragen werden. Kann das neue Album überzeugen oder bleiben Cattle Decapitation mit einem müden Lächeln zu betrachten?
Bevor Terrasite im Detail analysiert wird, schauen wir uns kurz deren bisheriges Schaffen im Zeitraffer an. Mit ihren ersten paar Alben, welche neben unklarer Produktion auch keinen einheitlichen roten Faden verbuchen konnten, machten sich Cattle Decapitation nicht gerade beliebt. Seit dem dritten Album "To Serve Man" stehen Cattle Decapitation bei dem prestigeträchtigen Label Metal Blade Records unter Vertrag. Erst nach dem dritten Album, mit Werken wie "Humanure" und "Karma.Bloody. Karma" konnte die Band einen qualitativen Quantensprung demonstrieren, auch wenn noch nicht gänzlich überzeugend.
Als dann 2011 "Monolith Of Inhumanity" erschien, änderte sich alles schlagartig und der Band gelang es, äußerst untypische Arrangements sinnvoll zu integrieren und dabei den hasserfüllten und ungemütlichen Grundtenor, für den sie bereits bekannt waren, aufrechtzuerhalten. Auf dem Vorgänger "The Harvest Floor" wurde bereits mit unorthodoxen Ideen geflirtet, doch diese konnten im Nachfolgewerk zu Ende gedacht werden, insbesondere der seltsame Klargesang, der trotz melodiöser Qualitäten gleichzeitig durch und durch gequält erklingt. Dieser sollte zu einem gänzlich neuen Soundgewand verhelfen, der Cattle Decapitation zu Pionieren auf dieser Ebene avancieren lassen sollte.
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Bereits der Name im Zusammenspiel mit dem abartigen Cover-Artwork spricht Bände: Die logische Weiterführung eines Parasiten, einem Wesen, welches für den einzigen Grund, sich Wirtskörper zu suchen und dahinzuraffen, wäre der Terrasit. Diese rhetorische Neuschöpfung geht von dem Mikro – zum Makrokosmos. Der Terrasit, welcher laut Cattle Decapitation der Mensch selbst ist, ist ein verderblicher Wesenszustand, der die komplette Erde anzapft und aussaugt, womit Formationen wie die berüchtigte „Letzte Generation“ zustimmen würden.
Auf dem Cover prangt eine zerstörte Ökosphäre, in der eine neue Lebensform, der titelgebende Terrasit, sich aus der geschälten Hülle des zuvor Menschlichen erhebt. Dieses Cover lässt Body Horror Vibes versprühen, mit denen sich der kanadische Regisseur David Cronenberg in der Filmwelt unsterblich machte. Selbst der Gesichtsausdruck der neu erschaffenen Lebensform erzählt von einer unsäglichen Trauer über das Schicksal, auf welches die Menschheit sich zurzeit auf Kollisionskurs befindet. Kaum eine andere Band schafft es gleichermaßen grotesk und tiefgründig mit der Menschheit abzurechnen wie Cattle Decapitation, doch währt deren Höhenflug, oder lässt sie Terrasite wieder zu Witzfiguren zurückmutieren?
Das Album beginnt mit unheilvollen Klängen und entmenschlichten Schreien im Hintergrund, die den Opener "Terrasitic Adaptation" ankündigen. Diesen beklemmenden Intro-Sounds folgen quasi-orchestrale Töne und Black Metal beeinflusste Gitarren, die die bevorstehende, menschgemachte Apokalypse heraufbeschwören. Hinzu reihen sich unmenschlich schnell gespielte Blastbeats an, die in einem funktionablen Kontrast zu den recht rockigen Gitarren stehen.
Die brutale, aber facettenreiche Stimme von Travis Ryan ergibt mit der wahnsinnig gut gespielten Instrumentalisierung die Cattle Decapitation Formel, welche sich erneut aufgefrischt präsentiert. Danach kommt die erste Single-Auskopplung "We Eat Our Young", in der sich die Black Metal-esken Einflüsse in Form von unnachgiebigen Blasts und Tremolo-Riffs weiter fortsetzen. Der Song ist erstaunlich groovig und wartet mit einem fulminanten und gleichzeitig gewalttätigen Ende auf, in dem der Songtitel wiederholt inbrünstig gebrüllt wird. Textlich heben sich Cattle Decapitation von der Extrem-Metal-Welt deutlich ab, denn sie sind klare Anprangerungen an das neumodische Menschsein und dessen fatale Folgen für die Umwelt, der Tierwelt und ganz besonders an das menschliche Miteinander selbst, und diese Kritik wird poetisch in Worte gehüllt.
Der dritte Track des Albums, "Scourge Of The Offspring", beschert der Hörerschaft zum ersten Mal auf der neuen Platte einen neuklassischen Cattle Decapitation-Refrain. Dieser wird durch die Paarung einer melancholischen Grundstimmung, hauptsächlich erzeugt durch Ausnahmegitarrist Josh Elmore, und dem wahrlich einzigartigen harschen, aber dennoch cleanen Gesang charakterisiert. Aggression und Melancholie in einem Atemzug, und an dieser Stelle sollte es betont werden, dass diese “Klargesang“ – Passagen von Travis Ryan in dieser Art und Weise noch nie vorher zu hören waren und sie es bis dato auch nirgends anders zu hören sind. An dieser Stelle zeichnet sich eine Verbesserung vom Songwriting des Vorgängeralbums "Death Atlas" ab, denn dort wurde auf jedem Song dieselbe Arrangement-Taktik aufgefahren, sodass dem Gesamtwerk viel an Aufschlagkraft abhandenkam.
Im Anschluss folgt "The Insignificants", der sich als typischer Cattle Decapitation Song entpuppt, welcher spielend leicht Tempi wechselt. Zum Ende hin wird er wieder deutlich interessanter, denn die anfängliche Orchestrierung kehrt zurück und zum ersten Mal in der Bandgeschichte ertönt ein tatsächlicher Klargesang. Dort wird proklamiert, dass der Mensch nur ein Tier ist, das es auszurotten gilt.
Daraufhin folgt im ähnlichen Gewand gekleidet "The Storm Upstairs", mit dem die erste Hälfte des Langspielers zu Ende gebracht wird. Die zweite Hälfte des Albums startet durch "… And The World Will Go On Without You", Dieser Track reist noch weiter in die anfängliche Zeit der Band zurück, was durch knüppelharte Slams symbolisiert wird. Bombastische Arrangements, die in einen weiteren, epischen münden, machen Track sechs zu einem weiteren Highlight der Platte. Im Anschluss folgt "A Photic Doom", der eine der lyrischen Höchstleistungen beinhaltet und ein alptraumhaftes Horrorszenario eröffnen.
Hier wird eine Welt dargestellt, in der die Menschheit den Himmel permanent verdunkelt hat und als Resultat durch Sonnenstrahlung den Tod und letztendliche Zerstörung findet. Eine grausige Ironie, wo doch die Sonne für die ursprüngliche Lebensquelle steht. Die Black Metal Elemente ziehen sich wieder durch den nächsten Track "Dead End Residents", wo selbst Trompeten effektiv eingesetzt werden, um die apokalyptischen Grooves zu unterstreichen.
Die letzten beiden Tracks lassen den progressiven Anteil der Band-DNA von Cattle Decapitation nochmal gehörig hochschnellen. Auf "Solastalgia" kommt zum ersten Mal in ihrer Karriere eine Spoken Word-Passage zum Einsatz und der Refrain geht durch Mark und Bein. Der letzte Track ist das zehnminütige Finale "Just Another Body", welches mit einem depressiven und tristen Klavier seinen Lauf nimmt. Basierend auf diesem von Klavier bestimmten Ton steigert sich der Song in ein infernales Crescendo und explodiert förmlich in einen der epischsten Cattle Decapitation Songs. Alle Aspekte, die im bisherigen Verlauf von Terrasite vorkamen, brillieren erneut und Lauflänge erscheint zu keinem Moment als aufgeblasen. Erneut wird hier wie auf Track vier der Refrain mit klarem Gesang vorgetragen und später mit dem distinktiven schrillen Stil gekoppelt.
Terrasite ist ein weiterer Gewinn in der vielseitigen Diskografie von Cattle Decapitation. Die ausgefallenen Refrains werden wieder bedachter benutzt und die exzellent verfassten Texte sorgen für tiefgehende Schauer über die gesamten Körper der Hörerschaft. Als einziges Manko könnte der kaum existente Bass genannt werden, dennoch haben Cattle Decapitation ihre Formel seit "Monolith Of Inhumanity" gefunden und immer weiter progressiver erweitert, mit gelegentlichen Abstrichen. Es ist eine Band mit klarer eigener musikalischer und lyrischer Identität daherkommt und mit ihrem hasserfüllten Weltschmerz aus der breiten Masse hervorragt. Kaum einer anderen Band gelingt es, mit ihrer Musik den Horror der menschlichen Existenz mit seinen einhergehenden gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen derart unverblümt auf den Punkt zu bringen.
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Ursprünglich veröffentlicht am 13. Juli 2023 aktualisiert am 20. Juli 2023
Originally published on Juli 13, 2023, updated on Juli 20, 2023