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Don Corleone scheint nicht der einzige „Godfather“ gewesen zu sein, der Angebote machte, die man unmöglich ausschlagen konnte. Clarence Avant, der oftmals als „Pate der Musikbranche“ bezeichnet wird, ist das Genie, das für eine Vielzahl von Erfolgsgeschichten bekannter Künstler*innen verantwortlich ist. Reginald Hudlin blickt in seiner Netflix Doku „The Black Godfather“ auf das eindrucksvolle Leben des Musikproduzenten zurück.
Bandmitglieder: Clarence Alexander Avant |
Geburtsdatum/ -ort: Februar 1931, Climax, North Carolina |
Ehepartnerin: Jacqueline Avant (verh. 1967-2021) |
Wohnort: Beverly Hills, Los Angeles |
Erste Szene: Nachdem Clarence bei den BET Awards 2013 eine Trophäe ausgehändigt wird, muss er auf die Bühne. „Ich kann keine Reden halten. Das ist nicht mein Leben. Ich mache Geschäfte“, meint er, woraufhin das Publikum laut applaudiert. Kurz darauf stimmt Barack Obama ein Loblied auf Clarence an.
Wenn es ein Stück Popkultur gibt, das von einem/einer schwarzen Künstler*in geschaffen wurde, ist die Chance groß, dass es Clarence Avant`s Fingerabdrücke trägt. Er war in jungen Jahren Agent, später Musikmanager, Unternehmer und Filmproduzent, der sich als geschickter Verhandler durch nichts und niemanden von seinen Zielen abhalten ließ. Bill Withers, Sixto Rodriguez, Sarah Vaughan, Jimmy Jam, Kim Weston, Pat Thomas - die Liste seiner Schützlinge ist lang.
Die Bedeutung von Clarence Avant wird nicht nur durch die Auflistung seiner Schützlinge deutlich, sondern auch durch hochkarätige Persönlichkeiten, die in „The Black Godfather“ zu Wort kommen, darunter Quincy Jones, Clive Davis, Barack Obama, Bill Clinton und Kamala Harris. Und jeder von ihnen erweckt den Eindruck, ihn bestens zu kennen. Nicht umsonst heißt es, dass Clarence bereits in jungen Jahren die Wichtigkeit eines großen Netzwerkes verstand und die Gabe hatte, Kontakte zu jedermann herzustellen. Doch er war mehr als nur ein Netzwerker. Und genau das veranschaulicht „The Black Godfather“.
Clarence unerwarteter Aufstieg zu einem der einflussreichsten Musikproduzent*innen begann bescheiden und war keinesfalls vorhersehbar. Geboren und aufgwachsen in einer kleinen Stadt in North Carolina, zog es ihn als 16-jährigen Teenager nach New Jersey, wo er als Lagerverkäufer bei Macy's jobbte.
Die Anfänge seiner Karriere gehen auf die späten 1950er Jahre zurück, als Clarence in seinen Zwanzigern als Manager in einer Lounge tätig war. Damals wurde Joe G. Glaser, ein bekannter Musikmanager, der bereits Louis Armstrong, Barbara Streisand und Billie Holiday managte, auf ihn aufmerksam. Glaser überredete ihn, als Manager ins Showgeschäft einzusteigen. Er war der festen Überzeugung, dass Clarence der richtige Kandidat für diese Position sei, da er der erste Afroamerikaner sein könnte, der als Vermittler für schwarze Künstler*innen fungierte. Little Willie John war die erste im Bunde, die er alleinig managte. Es folgte Jimmy Smith und die erste Begegnung mit Quincy Jones, der gerade die Plattenfirma „EmArcy“ gegründet hatte, und von dem Clarence eine finanzielle Unterstützung in Höhe von $450.000 für Smith forderte. Die beiden einigten sich auf die Hälfte.
Ähnlich wie Glaser ihm half, half Clarence später anderen Künstler*innen. 1970 wurde Los Angeles zum Zentrum für kommerzielle Black Music. Die Gründung von Sussex Records, kurz für „success“ und „sex“, hätte zu keinem besseren Zeitpunkt erfolgen können. Dennis Coffey war der erste Künstler, den Clarence unter Vertrag nahm. Wer sich jetzt wundert, dass gerade noch von Black Music die Rede war, der muss wissen, dass der Musikproduzent nicht nur schwarze, sondern auch weiße Künstler*innen, wie Coffey es war, unter seine Obhut nahm. Es folgten Sixto Rodriguez, Bill Withers, Jimmy Jam & Terry Lewis und viele. Apropos Sixto Rodriguez: Hast du schon die unglaubliche Geschichte des Sängers gehört? Wenn nicht, dann wird es höchste Zeit.
Clarence betont im Laufe der Doku immer wieder die Wichtigkeit der Zahlen. „Das Leben beginnt und endet mit Zahlen“, lautet ein Refrain des Musikproduzenten. Als echter Zahlenkenner war er derjenige, der an schwarze Künstler*innen plädierte, auf die Deals zu bestehen, die weiße Kolleg*innen machten. Wie Sean Combs so schön sagte: „Clarence sorgte dafür, dass man nicht verarscht wird“. Das Produzentenduo Jimmy Jam und Terry Lewis erinnern sich an ihr erstes Aufeinandertreffen mit ihm zurück. Clarence, der damals sein zweites Plattenlabel leitete, traf sich mit den beiden Männern, um nähere Details über einen Produktionsvertrag zu besprechen. Damals habe er ihren Manager gebeten, den Raum zu verlassen und teilte Jam und Lewis mit, dass sie nicht genug Geld gefordert hatten.
In den späten 60er Jahren trug Clarence maßgeblich zum Verkauf des berühmten Stax Records bei. Drei Jahrzehnte danach übernahm er die Position des CEO bei Motown Records und wurde erstes afroamerikanische Vorstandsmitglied bei PolyGram. Clarence war der Gründer eines der ersten Radiosender, die vollständig von Afroamerikaner*innen geleitet wurden, und er zögerte in den 1970er Jahren nicht, als Berater von MGM und ABC die afroamerikanische Kultur zu verteidigen.
Ohne das Zutun des Musikproduzenten hätte Bill Withers möglicherweise sein Leben lang Flugzeugtoiletten montiert, Jim Brown hätte es wohl nie als Actionheld auf die großen Kinoleinwände geschafft und Bill Clinton hätte höchstwahrscheinlich nicht das Präsidentenamt besetzt. Clarence hätte aufgrund seines Erfolges bereits in seinen Zwanzigern abheben können - hat es jedoch nie getan. Im Gegensatz zu Musikproduzent*innen, die in seiner Liga mitspielen können, schien der mittlerweile 92-jährige immer schon das Rampenlicht zu scheuen und sich eher im Hintergrund aufzuhalten. Während des Drehs sieht man ihn oft still sitzend, die Hände am Schoß gefaltet. In Aussagen macht sich sein nüchterner Humor bemerkbar, der die Menge an lobenden Aussagen deutlich abschwächt. Selbst auf dem Weg, um sich seinen wohlverdienten Stern am Walk of Fame zu sichern, beschwert sich Clarence darüber, wie er sich nur in diesen Unsinn verwickeln hat lassen können.
Wie in „Quincy Jones – Mann, Künstler und Vater“ nimmt auch bei „The Black Godfather“ die Tochter des Hauptprotagonisten, Clarence Avant, eine wichtige Rolle als Produzentin ein. So lässt sich auch die Insider-Perspektive erklären, die die genauen Strategien, die der Musikproduzent im Zuge seiner Karriere verfolgte, reichlich ausspart. Sie sind der Vorstellungskraft der Zuschauer*innen überlassen. Jim Brown, den Clarence zum Actionhelden der 70er Jahre machte, behält meiner Meinung nach Recht, wenn er meint: „Alle sprachen über diesen Clarence Avant, aber niemand kannte seine tatsächliche offizielle Position“. Das mag auch daran liegen, dass er schon immer versuchte, das Rampenlicht zu meiden.
Im Großen und Ganzen finde ich „The Black Godfather“ aber eine gelungene Dokumentation. Sie fast das Leben des Musikproduzenten gut zusammen, wenn auch den negativen Aspekten in seinem Leben wenig bis gar keine Aufmerksamkeit schenkt. Dafür blieb vermutlich zu wenig Zeit – verständlich, wenn das gesamte Schaffen von Clarence Avant in 118 Minuten untergebracht werden muss. Vor allem die Szenen, in denen er mit Quincy Jones vor laufender Kamera über die guten alten Zeiten herumscherzt, sind mir besonders gut in Erinnerung geblieben. Die beiden scheinen nach wie vor eng befreundet zu sein.
Du bist jetzt neugierig geworden und hast Lust auf mehr spannende Geschichten über das Leben verschiedener Künstler*innen bekommen? Dann schau doch auf mukken vorbei. Unter der Rubrik Musikfilme & Dokus findest du aufregende Beiträge zu anderen weltbekannten Musiker*innen wie Billie Eilish oder Taylor Swift. Zudem schreiben wir immer neue Beiträge in Kategorien wie Song- und Albumreviews oder Konzertberichten. Schau dort oder auch in unserem Musikerportal gerne vorbei.
Ursprünglich veröffentlicht am 7. November 2023 aktualisiert am 7. November 2023
Fokusthema: Bo Burnham: Inside – Eine dokumentarische Musikkomödie für unsere verwirrte Zeit
Originally published on November 7, 2023, updated on November 7, 2023
Fokusthema: Bo Burnham: Inside – Eine dokumentarische Musikkomödie für unsere verwirrte Zeit