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Am 7. März 2023 erschien “Heimdal“, das nun sechzehnte Studioalbum der progressiven Black/Viking Metal-Band Enslaved aus Bergen, Norwegen. Enslaved gehört zu der großen Strömung der zweiten Welle des norwegischen Black Metal. Die Band ist seit 1991 aktiv im Musikgeschäft verankert. Musikalisch und ideologisch heben sich die Männer um Gründungsmitglieder Ivar Skontorp Peersen, besser bekannt als Ivar Bjørnson, und Grutle Kjellson vom Rest der marodierenden Horde ab. Der ausschlaggebende Punkt ist der Fokus auf die Esoterik der nordischen Mythologie, in welche Enslaved tief eindringt.
Forest Dweller (Youtube Video)
Was auch über die Jahre hinweg tiefer ausgearbeitet wurde, ist die Musik selbst. Denn diese wurde immer komplexer. Progressive Rock wurde eine Hauptkomponente der musikalischen Identität. Diese war nach wie vor im Black Metal verwurzelt, wurde jedoch durch die Rock-Komponente erweitert. Hinzu kam noch ein Schuss spaciger Krautrock, was Enslaved den Ruf von `Pink Floyd des Black Metal` einbrachte. Wie schneidet “Heimdal“ im Vergleich zur restlichen Diskografie der Bergener Reisenden ab?
Der Namensgeber des sechzehnten Studioalbums von Enslaved entstammt der nordischen Mythologie und steht für den Wächter Heimdall. Seine Rolle innerhalb dieser filigran durchwebten Erzählung ist eine ganz besondere. Er nimmt die Rolle des Wächters des Bifröst ein, der interdimensionalen Brücke zwischen der göttlichen und der menschlichen Welt. Nach Ragnarök, dem nordischen Ende der Welt, welches durch die finale Schlacht der Götter heraufbeschworen wird, ersetzt Heimdall den ursprünglichen Allvater Odin und ist an seiner Statt der oberste Gott. Als dieser neue Gott der Morgendämmerung lässt er sein Horn erklingen und führt in eine unbekannte Zukunft.
“Heimdal“ beginnt direkt mit plätscherndem Wasser, das durch das Posaunen von Heimdalls Horn in den Hintergrund gerät und den Auftakt des Albums markiert. Das atmosphärische Intro von Behind The Mirror (1) wird von einem eingängigen Riff mit Durchschlagskraft und immensen Groove unterbrochen. Dem folgt eine melodiöse Passage, die von epischem Klargesang und rhythmisch hämmernder Doublebass getragen wird. Nur, um dann in das Anfangs-Riff zurückzurudern, welches diesmal von den Black Metal-typischen harschen Vocals begleitet wird. Die Krautrock-Elemente scheinen ab der Hälfte des Liedes in Form von psychedelischen Electronica-Einlagen hindurch. Letzten Endes weist der Song die Struktur eines progressiven Rocksongs auf, welcher lediglich metallisch legiert wurde.
Das Tempo wird mit dem zweiten Song Congelia (2) stark angezogen und die Wurzeln von Enslaved erscheinen in Form von quasi-Blastbeats und Tremoloriffing. Diese kurzen Ausläufer in alte Enslaved-Gefilde erscheinen hin und wieder auf “Heimdal“, sind jedoch nie von allzu langer Dauer. Die Band scheint einen Wink durch den Zaunpfahl zu geben, dass sie ihre musikalische Herkunft keineswegs vergessen haben und sich gelegentlich auf sie zurückberufen. Ebenso wie Heimdall, der die alten Zeiten noch präsent vor Augen hat, aber dennoch wagemutig in eine ungewisse neue Richtung aufbricht. Erneut erlebt man hier fantastisches Songwriting, wo ein einprägsamer Keyboard-Part, untermalt von martialischen Drums, sich ätherisch in das Gerüst von Congelia (2) einfügt. Das recht hohe Tempo wird den ganzen Song über aufrechterhalten und durch ein filigranes Gitarren-Lead abgerundet, wobei die Trademark Enslaved-Chorgesänge die durchgängige mystische Aura verstärken.
Ein wahres Storyteller-Feeling wird mit dem nächsten Track Forest Dweller (3) erweckt. Der Titel kreiert im Zusammenspiel mit der episch aufgezogenen Musik und passendem Musikvideo ein ganz besonderes Gefühl. Kurz vor der Hälfte des Songs kündigt ein raffinierter Drum-Part einen radikalen Stimmungswechsel an. Dann begibt sich die Hörerschaft in einen finsteren Forstvibe, der sich durch einen bösen Groove und sphärische Keyboards auszeichnet. Die Stimmung rückt am Ende in eine introspektive Melancholie mit klarer, eleganter Gitarre und einem jazzigen Bass im Hintergrund.
Diesem Wechselbad der Gefühle folgt nun Kingdom (4), ein sehr rockiger Song. Dieser entspringt ganz klar dem Faible für Progressive Rock der beiden Haupt-Komponisten Grutle und Ivar. Ein treibender Beat bäumt sich auf, während die Gitarren und das Keyboard sich in funky Intermezzi duellieren. Generell drückt “Heimdal“ von Enslaved eine Art dunkle Vorahnung gegenüber unserer reellen, unbekannten Zukunft aus. Artistisch wird das hervorragend mit der mythologischen Allegorie Heimdalls verknüpft.
Danach geht es mit The Eternal Sea (5) weiter. Der Song weist ein Intro auf, das erneut stark vom Krautrock der 70er-Jahre geprägt ist und sich spacig und geerdet zugleich manifestiert. Auch der Bass von Grutle darf hier erneut strahlen und zeigen, was er so kann. Ein düsteres, kontinuierlich schleppendes Tempo regiert über den Song, ebenso wie der Klargesang, der bis zur 5-Minuten-Marke dominiert. Dann folgt die Aggression gepaart mit Geschwindigkeit, um letzten Endes wieder zurück zu den Intro-Keyboard-Klängen zurückzufinden. Kompositorisch reflektiert The Eternal Sea den ewigen Fluss des Meeres und die dazugehörigen Gezeiten, was eindrucksvoll gelungen ist.
Als nächstes darf Caravans To The Outer Worlds (6) aufwarten, die Single-Auskopplung, der bereits im Vorjahr eine gesamte EP gewidmet wurde. Neben “Congelia“ stellt dieser Song eines der individuellen Highlights des neuen Albums von Enslaved dar. Caravans To The Outer Worlds (6) ist im Vergleich zu den restlichen Songs ziemlich geradlinig und verdammt eingängig. Dazu noch treibend und absolut rockig und jedes Instrument komplementiert das gesamte musikalische Gespann. Das letzte Drittel verflüchtigt sich in Ambiance durchhallende, gesprochene Wörter in Kombination mit Chorgesang, was einen psychedelischen Touch verleiht.
Caravans To The Outer Worlds (Youtube Video)
Das Album findet sein Ende mit dem Titeltrack Heimdal (7), welcher durch ominöse Synth-Sounds eingeleitet wird. Diese unheilvolle Stimmung verstärkt sich mithilfe eines doomigen Grabeszug, in den der Song überwechselt, weiter. Das gedrosselte Tempo und die Stakkato-Riffs im Zusammenspiel mit den wiederholt sphärischen Keyboards sorgen für ein spürbares Unwohlsein. “Heimdal“ endet mit einem gespenstischen Track, der eine konstante Aura der Bedrohlichkeit erzeugt. Das soll so gedacht werden, denn nachdem es eine kurze Atempause mit auf altnordisch vorgetragenem Text gibt, bauscht sich der Song wie eine bebende Vulkaneruption auf. Diesmal wird ein Part bereitgestellt, der sich klassischem Heavy Metal-Riffing bedient und beruhigende Vocals hinzufügt, um mit durchgeknallten Synths mit Furore abzuschließen.
Wenn man der ausufernden Diskografie von Enslaved noch keine Beachtung hat zukommen lassen, dann ist das neue Opus “Heimdal“ gewiss ein geeignetes Album. Eine rohe, aber dennoch moderne und angenehme Produktion lädt zum Hören ein. Das Kopfkino, das durch eine Fokussierung auf esoterische, nordische Mythologieaspekte in Lauf kommt, ist äußerst abenteuerlich. Garantiert eine Steigerung zum Vorgänger “Utgard“.
In Sachen Konzept und dessen Ausführung fällt das Album dennoch etwas flach im direkten Vergleich zu den wahrlichen Meisterwerken des Kataloges von Enslaved aus. Die großen Hits bleiben aus, obwohl der voranpreschende Song “Caravans To The Outer Worlds“ und die atmosphärische Granate “Congelia“ sehr nah an der Hitgrenze kratzen. Letzten Endes macht das Album Spaß und könnte dafür sorgen, potenzielle neue Fans geschickt zu initiieren. Doch an die monumentalen Erfolge der Vergangenheit reicht “Heimdal“ leider nicht ran. Einen Hördurchlauf ist es sicherlich dennoch wert! Dreieinhalb von fünf mukken-Sternen.
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Ursprünglich veröffentlicht am 18. Dezember 2023 aktualisiert am 18. Dezember 2023
Fokusthema: Bo Burnham: Inside – Eine dokumentarische Musikkomödie für unsere verwirrte Zeit
Originally published on Dezember 18, 2023, updated on Dezember 18, 2023
Fokusthema: Bo Burnham: Inside – Eine dokumentarische Musikkomödie für unsere verwirrte Zeit