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BLACK CURSE @ Kill-Town Deathfest VII (Youtube)
Musikfestivals gibt es mittlerweile wie Sand am Meer – in zig Manifestationen, ob gigantisch groß oder winzig klein. Die meisten widmen ihr musikalisches Programm einem übergeordneten, zusammenhaltenden Genre, wie Rock, Heavy Metal, Punk oder elektronischer Musik. Wenige legen den Fokus auf eine integrale Nische, welche dann konsequent durchgezogen wird. Das Kill Town Death Fest in Kopenhagen, welches zum ersten Mal im Jahre 2010 auf der Bildfläche erschien, ist eine dieser wenigen Ausnahmen, in diesem Fall ist das Kernstück im Death Metal, einen Auswuchs des extremen Heavy Metal, fest verankert.
Bis ins Jahr 2014 fand es regelmäßig statt, danach trat eine mehrjährige Pause ein, welche 2018 mit der “Resurrection“ Edition glorreich in der größeren Location Pumpehuset aufgelöst wurde. Sehr zentral in Kopenhagen gelegen, lediglich einen fünfminütigen Fußmarsch vom Hauptbahnhof entfernt, dient diese Veranstaltungsstätte seit nunmehr sechs Jahren als fester Austragungsort des KTDF. Knapp 1000 Menschen finden innerhalb des Pumpehuset Platz, daher ist das Festival eindeutig ein Vertreter der kleineren, gemütlicheren Varianten von Musikfestivals. Unser Redakteur Hannes war 2023 bei “The Carrion Gathering“, so der Name des neuesten globalen Zusammentreffens von Death Metal Fans, live vor Ort und berichtet über das KTDF im Namen von mukken.com!
Ganze vier Tage hält das KTDF an, was eine enorme Bewährungsprobe darstellt, egal ob die Größe des Festivals klein oder riesig ist. The Carrion Gathering, zu Deutsch Die Zusammenkunft des Aases, geht wie die bisherigen Editionen seit 2018 von Donnerstag bis Sonntag. Der Sonntag ist im Vergleich zu den vorangegangenen Tagen noch einmal homogener, der Beiname des letzten Tages ist nämlich “Gloomy Sunday“ und diese Betrübtheit schlägt sich genretechnisch nieder – am letzten Tag findet das letzte Abendmahl statt, hier beim KTDF in Form von zermürbendem Death/Doom Metal. Hierzu jedoch später mehr. Generell ist es wichtig zu erwähnen, dass dieses Festival trotz seiner beschaulichen Kapazität ein enormes Aufgebot an internationalen Bands wie auch ein breit gefächertes Publikum anzieht. Insgesamt gibt es drei Bühnen, eine befindet sich draußen im Biergarten namens Byhaven, die anderen beiden befinden sich innerhalb des Gebäudes. Nachdem das erste Paar Treppen hinaufgestiegen wurde, erlangt man die Black Stage und ein weiterer Treppenanstieg befördert einen in die Haupthalle zur Main Stage.
Where All Flesh Is Soil (Spotify)
Ein integraler Bestandteil bei der Organisation des KTDF ist die Tatsache, dass laut Aussage des Veranstalters Daniel Abecassis, welcher Killtown Bookings betreibt, jede Band es verdient hat, live bestaunt werden zu dürfen, daher ist es unabdinglich, Kollisionen vorzubeugen. Dementsprechend wurden Vorkehrungen getroffen, damit sämtliche Menschen, die das Festival besuchen, eine Chance zu haben, sämtliche performende Bands sehen zu können. Gegen den späten Nachmittag beginnt die erste Band auf der Main Stage, zumeist gegen 17 Uhr. Dann folgt in exakt einer Stunde die nächste Band auf der Black Stage und so rotiert die Spielkonstellation präzise umher. Jede Band hat daher exakt gleich viel Spielzeit wie jede andere, hier gibt es keine Starallüren und große Headliner, da alle teilnehmenden Bands Headliner im gleichen Maße sind. Im direkten Vergleich zu den bisherigen Death Fests überzeugt das Line-Up im Jahre 2023 nicht mit einer Vielzahl von etablierten Formationen aus der Szene, sondern gibt dieses Mal vielen Akteuren die Gelegenheit, zum ersten Mal auf europäischen Boden zu performen. Für viele Bands stellt das KTDF ein Sprungbrett dar, um mehr internationales Aufsehen zu erregen und die individuelle Karriere erheblich zu pushen
Am Donnerstag, dem 31.August 2023 steht das Wetter harmonisch im Einklang zu den kommenden vier Tagen voller knochenbrecherischen Riffs, übelkeitserregenden Vocals und einbalsamierenden Drums. Verregnet und grauer Himmel, soweit das Auge reicht, ein hervorragendes Ambiente für verrotteten, morbiden Death Metal. Langsam aber sicher trudelt das Publikum ein, seit 14 Uhr stehen auf der außenstehenden Byhaven Bühne DJs bereit, die sich völlig dem Todesmetall verschrieben haben und auch während der kurzen Umbaupausen für permanente Beschallung im Bereich dieses Nischengenres sorgen. Eine derartige Homogenität bei Rock/Metal Festivals gibt es überaus selten zu bezeugen. Viele freiwillige helfende Hände sorgen beim KTDF dafür, dass alles rund läuft und sauber bleibt, im Gegenzug dafür erhalten sie freien Eintritt und eine gesunde Portion Essens-und Getränkemarken. Generell ist die Organisation zutiefst effizient und professionell, die Bands treten wie ein perfekt geöltes Uhrwerk rechtzeitig auf und es gibt zwar Securtiy, die jedoch tiefenentspannt, dennoch pflichtbewusst agiert. Um 18 Uhr initiieren die heimischen Sulphurous das Festival, die ihr erstes Konzert seit zwölf Jahren der Öffentlichkeit darbieten.
SNĚŤ @ Kill-Town Deathfest VIII (Youtube)
Eine besondere Eigenschaft des KTDF ist die Tatsache, dass zwischen Bands und Musikfans keine künstlich erzeugte Distanz geschaffen wird. Nach ihren Sets, manchmal bereits davor, mischen sich die spielenden Parteien ins dunkle Getümmel und zelebrieren die Lust nach aggressiver und zerstörerischer Musik ausgelassen gemeinsam, natürlich absolut friedlich und respektvoll. Immer mehr Nachrichten kommen ans Tageslicht bezüglich grenzübergreifendem Verhalten auf großen Festivals, meist gegen Frauen gerichtet. Hier beim KTDF sind alle gleichwertig, einige Musikerinnen sind erfreulicherweise auch stets vertreten, was schön zu beobachten ist, dass auf diesem Festival keine geschlechterbezogene Hierarchie herrscht. Dieses Festival kann wahrhaftig als Safe Space tituliert werden, denn hier achten die Menschen untereinander auf sich und es kommen niemals Beschwerden wegen sexueller Belästigung oder anderer verwerflichen Taten zu Ohren. Das Veranstaltungsteam ist stark antifaschistisch und antisexistisch eingestellt und das ist definitiv spürbar, ebenso wenig gibt es hier Bands aus der politischen Grauzone. Obwohl es technisch gesehen unmöglich ist, eine Band zu verpassen, so verlockt das große soziale Miteinander immer wieder dazu, Abstand von der Musik zu nehmen und die Zeit darin zu investieren, alte Bekanntschaften zu pflegen oder neue Kontakte zu knüpfen.
Nachdem Sulphurous mit einem soliden, jedoch recht kurzen Set das Festival eingeweiht hatten, kamen die nächsten Bands Schlag auf Schlag. Teratoma aus Deutschland zerlegten die kleinere Black Stage und direkt im Anschluss folgte das erste, überragende Highlight des Festivals mit Ascended Dead. Die Amerikaner, die ursprünglich aus San Diego kommen, jedoch nun ins Heavy Metal Mekka Portland, Oregon umgesiedelt sind, präsentierten ihren archaischen Death Metal mit durchschlagender Überzeugungskraft. Solch eine Urgewalt durch musikalische Mittel heraufzubeschwören ist ein Testament an das kompositorische Genie einer Band innerhalb der Death Metal-Sphäre. Nach diesem triumphalen Auftritt konnte keine der folgenden vier Bands dieses Level an Aggression und Kreativität mehr erreichen. Insgesamt spielten 37 verschiedene Bands und Performance Artists auf dem diesjährigen KTDF. Der nächste Tag begann eine Stunde früher mit den phänomenalen Phobophilic aus Fargo, North Dakota, deren Name eine Hommage an einen klassischen Song der frankokanadischen Band Cryptopsy darstellt. Danach übernahmen die Jungs von Degraved aus Seattle die Überhand auf der Black Stage und überzeugten mit einer jugendlichen Energie und extremen Spielspaß.
Der Rest des Freitages blieb auf diesem hoch etablierten Niveau, und die darauffolgende US-amerikanische Band Apparition, welche wie viele andere zum ersten Mal auf europäischen Boden sich befand und ein exklusives Konzert nur für das KTDF spielte. Drohende, fast schon psychedelische (oder eher psychotische) Gitarrenharmonien entwinden sich dem doomigen Gestampfe, um kurz Hoffnung zu machen, nur um sie direkt wieder im Keim zu ersticken. Um 21 Uhr kommt der Death Metal Tempel von Ossuary aus Wisconsin auf die Hauptbühne und vergeudet keine Zeit mit Ansagen, sondern dezimiert die Halle in einem dreiviertelstündigen Todesritual. Immer wieder erschallen zutiefst düstere Interludes, die die bereits erschaffene morbide, okkulte Stimmung nur noch weiter zementieren. Die letzte Band ist die legendäre Formation Convulse aus Finnland, die den zweiten Tag mit Selbstbewusstsein und Souveränität zu den Akten legen. Der Samstag bietet erneut ein erbarmungsloses Programm, der die kollektiven Kräfte immer weiter ans Äußerste bringt. Abhorration aus Norwegen spielen als erste Band um 14 Uhr auf der Open Air Bühne und können mit ihrem Old School Death Metal die Menge erfolgreich abholen. Altars aus Australien spielten ihr erstes Konzert jenseits vom heimischen Australien und lieferten eine denkwürdige Performance ab, die an die Grenzen des menschlich Nachvollziehbaren gelangt.
Folgend auf Altars konnten am Samstag noch die schwedischen Vanhelgd mit ihrem sehr Black Metal angehauchten Spielstil erneut eine durch und durch okkulte Atmosphäre kreieren und aufrechterhalten. Transgressor aus Japan hatten technische Probleme, die die erste Verzögerung herbeiführte, danach spielten sie 15 Minuten später ein rüpelhaftes Set mit völlig willkürlichem Sound. Benediction aus Großbritannien, deren hünenhafter Frontmann Dave Ingram mittlerweile in Kopenhagen residiert, lieferten zum Abschluss des Tages noch Party Death Metal par excellence ab. Ingram ist ein charismatischer und unterhaltsamer Frontmann, der die Menge fest in seinem Griff behielt und für einige Lacher sorgte und somit die letzten Kräfte bündeln konnte. Diese letzten Kräfte wurden beim obligatorischen Gloomy Sunday noch einmal gewaltig auf die Probe gestellt. Einige Menschen waren zu diesem Zeitpunkt schon abgereist und der Raum vor den Bühnen bot erheblich mehr Bewegungsfreiheit, was bei jeder Aktivität einem wahren Segen entspricht. Zunächst ging ab 14 Uhr erneut das Programm auf der Byhaven Bühne los, diesmal mit experimentellen Noise Projekten (The Nausea & V.V.V.), um die letzten Überlebenden auf das unvermeidliche Ende artistisch vorzubereiten.
Am Nachmittag begann die letzte Reise mit den acht verbliebenen Bands, um durch eher langsamere, melancholischere Töne das Festival traditionell abzuschließen. Die erste Band God Forsaken war leider langweilig und ziemlich vergesslich. Die jungen Briten von Slimelord spielten ihre exklusive erste Show außerhalb des UK und konnten mit einem technisch versierten Death/Doom, während die Bühne permanent in schleimiges, grünes Licht gehüllt war, schlagkräftig punkten. Danach folgten auf der großen Bühne die alteingesessenen Herrschaften von Druid Lord aus Florida, die zum zweiten Mal beim Gloomy Sunday mitwirkten und lässig ihre Show rockten. Burial aus Italien litten unter einem katastrophalen Sound, wohingegen die japanischen Meister des Death/Doom Metal, Anatomia, eine immersive Reise ins Reich der Toten darbot. Diese Band hat es geschafft, dass Death/Doom Genre derart weiterzudenken, dass die Musik fast schon Death Ambient genannt werden könnte. Eine alles umfassende Wand aus Tönen hält das Publikum an der Gurgel und lässt zu keiner Sekunde nach. Die Brasilianer von Fossilization zerdrücken alles mit ihrem höhlenhaften Sound, während Bell Witch und Fouco Fatuo das Festival jeweils mit einer instrospektiven Darbietung und einem höllisch finsteren Inferno zu Grabe tragen.
Unter den kleinen, beschaulichen Festivals ragt das KTDF mit einigem Abstand ganz klar weit oben heraus. Das familiäre, freundliche Ambiente, bei dem Kunstschaffende und deren Fans im Einklang miteinander kommunizieren und harmonieren, ist in dieser Ausprägung kaum bis gar nicht zu finden. Natürlich ist es wichtig vorher zu wissen, dass Kopenhagen nicht günstig ist, daher sollte das Portemonnaie gut gefüllt für den mehrtägigen Aufenthalt sein. Glücklicherweise gibt es günstige Supermärkte und Hostels in der Nähe, um sich ausreichend einzudecken und eine komfortable Unterkunft zu sichern.
Das Aufgebot an internationalen Bands ist beachtlich und absolut lohnend, da es keine zeitlichen Überschneidungen gibt. Ebenfalls gibt es keine Bands und Fans des rechtsextremen Spektrums, was für eine durchweg friedvolle Atmosphäre sorgt. Die Organisation ist hochgradig professionell und die Location sehr einfach vom Hauptbahnhof oder gar vom Flughafen zu erreichen, da diese beiden Knotenpunkte hervorragend miteinander vernetzt sind. Einziges Manko wäre der nicht konsistente Sound in der Haupthalle, welcher jedoch durch die großartige Grundstimmung mehr als wettgemacht wird. Fans des räudigen, traurigen und wütenden Death Metal, worauf wartet ihr? Das Kill Town Death Fest öffnet hoffentlich auch nächstes Jahr wieder seine Pforten für das zehnte Mal und beschert einen faszinierenden und ausgelassenen Blick ins Auge des musikalischen Todes.
Fandest du Gefallen an diesem Festivalbericht über ein wahrlich besonderes, kleines, aber feines Musikfestival, das Kill Town Death Fest? In diesem Fall bleib am Ball und unterstütze das Magazin vom mukken.com und empfehle es unbedingt deinem musikaffinen Freundeskreis weiter! Innerhalb unseres Magazins tummelt sich eine breit gefächerte Themenauswahl um alles, was sich um Musik dreht. Weitere Berichte über Konzerte und Festivals, wie beispielsweise über das Brutal Assault in Tschechien, lassen sich hier ebenso finden wie Album Reviews. Ein kürzliches Beispiel dessen wäre die Review zum fantastischen dritten Album der finnischen Post-Punk Band Grave Pleasures. Doch nicht nur solche Inhalte sind in dem mukken.com Magazin enthalten, sondern auch technische Auseinandersetzungen mit Gesangstechniken und Methoden des erfolgreichen Erlernens von Musikinstrumenten. Auf Social Media, wie etwa Instagram oder TikTok, ist mukken.com ebenso vertreten wie auf dem heimischen Podcast bei Spotify. Spring an Bord und lasse dich tiefer in die faszinierende Welt der Musik entführen – weil Musik zusammenbringt.
Ursprünglich veröffentlicht am 7. Februar 2024 aktualisiert am 21. Februar 2024
Originally published on Februar 7, 2024, updated on Februar 21, 2024