Cold Jay Turner: Debütsingle „Nighttime“ verspricht Gänsehaut-Momente
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Vor mittlerweile mehr als zwei Monaten wurden Vorwürfe gegen den Sänger Till Lindemann, einer der erfolgreichsten deutschen Bands aller Zeiten, Rammstein, laut, welche eine der kontroversesten öffentlichen Diskussionen des mittlerweile scheidenden Sommer dieses Jahres entfesselten. Nun wurden staatsanwaltliche Ermittlungen zu diesem Fall mangels Beweisen eingestellt, da die Auswertungen keinen hinreichenden Tatverdacht für angebliche Sexualstraftaten bestätigen. Lindemann ist der bislang ranghöchste beschuldigte Vertreter eines Musikgenres, welcher noch immer das repräsentiert was wir unter einem männlichen Rock’n’Roll-Klischee verstehen und die Verkörperung eines Frontmannes darstellt, welche von vielen Fans des Genres noch immer umjubelt und kaum hinterfragt wird. Was heißt das nun für die Zukunft einer idealisierten Musikrichtung, gar einer ganzen Branche und unserem eigenen Umgang damit?
Mit der Rubrik "Meinung" widmen wir uns aktuellen Themen aus dem Bereich der Musik, die wir als würdig empfinden, ausgiebig diskutiert zu werden. Dabei gilt der Disclaimer, dass alles Nachfolgende die persönliche Meinung des Autors darstellt.
Wer mit der misogynen Geschichtserzählung des Rock ’n’ Roll vertraut ist, der wird durch die Enthüllungen rund um die Causa Rammstein weniger überrascht sein, und den ein oder anderen medialen öffentlichen Aufschrei selbsternannter Rechtsprecher*innen auch als deplatziert und völlig voreingenommen wie undifferenziert wahrgenommen haben. Denn die offensichtliche und zerstörerische Form von Männlichkeit, welcher das exzessive Gebaren der Rock-’n’-Roll-Gründerzeit innewohnt, wird damals wie heute in vielen Fällen weiter gelebt und glorifiziert. Negative Erfahrungen in einer ganz grundsätzlich eher sexistischen Szene waren und sind damals wie heute allgegenwärtig. Was also muss passieren?
Sämtliche Strukturen seitens der Musikindustrie, aber auch unser Verständnis von dieser so angehimmelten entfernten Welt müssen aufgebrochen werden, welche männlich toxisches Verhalten relativieren, rechtfertigen und begünstigen. Betroffene Musiker*innern, das Management sowie Labels, ein aufmerksames Publikum, Veranstalter*innen und ein kritischerer Musikjournalismus müssen wesentlich stärker ein Bewusstsein erarbeiten und ernstgemeint für dieses Thema weiterhin jedoch wesentlich aussagekräftiger sensibilisieren und einstehen. Es bedarf einem umfassenden sowie koordinierten Ansatz, Verantwortung übernehmen zu wollen, um klare Richtlinien und Standards zur Bekämpfung von Sexismus und Misogynie zu definieren. Die Wahrnehmung für strukturelles sexistisches Verhalten, Geschlechterstereotype und Diskriminierung muss geschärft werden. Musiker*innen sollen sich ermutigt fühlen, Vielfalt und Gleichberechtigung authentisch auszuleben. Stimmen derjenigen, die von strukturellem missbräuchlichem Verhalten betroffen sind, müssen gehört und unterstützt werden.
Es ist wichtig, dass Gleichberechtigung und Respekt in der gesamten Branche gefördert werden, damit alle Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, sicher und respektiert arbeiten können. Die Musikindustrie sollte ein Ort sein, an dem Kreativität erblühen kann, ohne Angst vor Missbrauch und Diskriminierung. Es ist eine traurige Realität, welche noch immer in der Musikindustrie vorherrscht, und es ist an der Zeit, dass eine übergreifende Veränderung eintritt und diese aufgebrochen wird.
Viele Künstler*innen und deren Songs setzten sich bereits mit Machtstrukturen, Geschlechterdynamiken und Selbstwertgefühl in der Vergangenheit auseinander. Diese Künstler*innen nutzen ihre Musik, um wichtige Botschaften zu übermitteln und soziale Veränderungen anzustoßen. Jedoch erfordert die Veränderung der sexuellen und geschlechtsspezifischen Probleme in der globalen Musikszene eine gemeinsame Anstrengung von allen. Künstler*innen können bewusst gegen Sexismus und Diskriminierung auftreten - ja, sie können Vorbilder für eine neue und inklusivere Musikkultur sein. Fans haben die Macht, ihre Unterstützung für Künstler*innen auszudrücken, die für Gleichberechtigung stehen, und sich von solchen abzuwenden, die sexistische Inhalte verbreiten und frauenverachtende Positionen einnehmen.
Auch der Musikjournalismus spielt weiterhin eine wichtige Rolle bei der Entwicklung eines bewussteren Diskurses und sollte darauf achten, welche Musiker*innen sie fördern und welche Narrative sie verstärken. Letztendlich liegt es jedoch in der Verantwortung der hiesigen Musikindustrie selbst, die notwendigen strukturellen Veränderungen herbeizuführen. Indem sie klare Leitlinien gegen Sexismus und Diskriminierung aufstellt, Sichtbarkeit für Frauen und marginalisierte Gruppen erhöht, Bildungsinitiativen unterstützt und eine offene Dialogplattform schafft, kann die Musikindustrie eine entscheidende Rolle bei der Neugestaltung einer inklusiveren und respektvolleren Kultur innerhalb der Industrie spielen.
Es ist an der Zeit, gerade durch und mithilfe von aufmerksamkeit erregenden Fällen wie dem von Rammstein und Till Lindemann, dass das Selbstverständnis einer ganzen Branche und der Szene selbst sich von überholten Stereotypen und Verhaltensweisen trennt und eine neue Ära des Fortschritts und der Chancengleichheit beginnen. Die Herausforderungen sind zugegebenermaßen gewaltig, aber durch einen gemeinsamen Willen kann eine Veränderung systematisch herbeigeführt werden, welche nicht nur die Musikindustrie, sondern das gesamte kulturelle gesellschaftliche Zusammenleben positiv beeinflussen kann.
Ursprünglich veröffentlicht am 30. August 2023 aktualisiert am 30. August 2023
Originally published on August 30, 2023, updated on August 30, 2023