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Metallica – wie Riesen zu Fall kommen

Die Band Metallica steht vor einem Strahlenmeer aus Scheinwerfern in gelb
Bild: Tim Saccenti

Wir schreiben das Jahr 2023 und Metallica veröffentlichten jüngst das brandneue Album „72 Seasons“. Es ist mittlerweile das zwölfte Album ihrer Karriere. Und erneut scheiden sich bei der neuesten Platte die Geister. Seit 1981 gehören die Männer aus der kalifornischen Bay Area zu den wichtigsten Vertretern des Thrash Metal – einem abrasiven, stakkatoartigem Musikstil des Extremmetals, der sich aus dem Hardcore Punk herauskristallisierte. Schnelle Salven vermengen sich mit gekonnt eingesetztem Groove, was die Menschen förmlich dazu zwingt, sich gewaltsam in Bewegung zu setzen. Neben anderen einflussreichen Acts wie Anthrax, Megadeth und selbstverständlich Slayer, einer ihrer unnachgiebigen Rivalen, repräsentieren Metallica die sogenannten „Big Four“. Die quintessenzielle Speerspitze des Thrash Metal.

Kometenhaft war ihr Aufstieg innerhalb und außerhalb der Heavy Metal-Welt. Und nach ein paar Klassikern des aggressiven, rasenden Thrash Metal wie `Kill ´Em All` und `Ride The Lightning` veränderte sich der grundlegende Tonus von Metallica. Die Songs wurden länger und progressiver komponiert. Ebenso konnte eine größere Anbiederung an den Mainstream beobachtet werden. Viele alteingesessene Fans konnten dieser Evolution nicht viel abgewinnen und lehnten diese Stiländerung radikal ab. Kommt mit auf eine kleine Zeitreise und lasst uns herausfinden: Sind die Anfeindungen gerechtfertigt?

Disclaimer

Mit der Rubrik "Kolumne" widmen wir uns aktuellen Themen aus dem Bereich der Musik, die wir als würdig empfinden, ausgiebig diskutiert zu werden. Hier möchten wir persönliche Empfindungen abbilden. Dabei gilt der Disclaimer, dass alles Nachfolgende lediglich die Meinung des Autors darstellt. Es geht keineswegs darum, Partei für irgendeine Seite zu ergreifen. Stattdessen geht es darum, vorsichtig abgewogene Gedanken über sensible Inhalte der Außenwelt zu kommunizieren. Dafür zu sorgen, dass ein gesunder Diskurs etabliert wird. Solche Diskurse scheinen in unserer heutigen Welt immer mehr abhandengekommen zu sein. Daher ist es von größtmöglicher Wichtigkeit, nuanciert miteinander, anstatt gegeneinander zu diskutieren.

Metallica – die bekannteste Metal Band der Welt

Ein schwarzweiß-Bild der Band Metallica
Das aktuelle Line-Up: Kirk Hammett, Lars Ulrich, Rob Trujillo, James Hetfield | Bild: Universal Music

Wenn das Musikgenre Heavy Metal in den Mund genommen wird, kommt man nicht drum herum, an Metallica zu denken. Derart groß ist der Name allein und der Einfluss, den sie in ihren über 40 Jahren Aktivität generieren konnten. Spätestens 1991 mit ihrem ikonischen schwarzen Album, welches eine klare Hommage an das `White Album` der Beatles darstellt, wurde Metallica zu einer der berühmtesten Bands, die das Metal-Genre jemals hervorbrachte.

Tatsächlich handelt es sich bei dem Album um das selbstbetitelte `Metallica`, ein Detail, das an vielen vorbeigeht. Selbst Menschen, die kaum bis gar keine Bezüge zu dieser Art der Musik haben, kennen ihren Namen. Oder zumindest ausgewählte Songs, wie beispielsweise `Nothing Else Matters`, dem ewigen Gassenhauer von Metallica. Ebenso berühmt ist `Enter Sandman`, der Auftakt des Albums. Dies jedoch aus niederen Beweggründen, da er kaum einen musikalischen Anspruch besitzt und pure Simplizität ausstrahlt. Was nicht heißen soll, dass technisch weniger anspruchsvolle Songs einen niederen Wert besitzen – häufig sind gerade die einfachen Stücke die einprägsamsten.

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Metallica – Stärke durch Verlust

Zu Beginn ihrer Karriere stellte Metallica eine Band dar, die Schlag auf Schlag mehr Momentum generierte. Von 1983 bis 1986 brachte die Band drei erstklassige Alben heraus, die für alle Zeiten Klassiker ihres Genres sein sollten. `Kill ´Em All`, ein Jahr darauf `Ride The Lightning` und 1986 schließlich `Master Of Puppets` – neben der selbstbetitelten Platte eines der Referenzwerke von Metallica. Im selben Jahr des Erscheinens des dritten Albums, genau gesagt am 27. September 1986, befiel die Band ein Unglück ungeheuren Ausmaßes. Ausnahmebassist Cliff Burton, der seit dem Debütalbum ein fester Bestandteil von Metallica gewesen ist, fand mit nur 24 Jahren den frühzeitigen Tod.

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Während die Band auf Tour in Schweden war, verunglückte der Tourbus in der schwedischen Einöde und fiel eine Klippe hinunter. Das Fahrzeug überschlug sich, was damit endete, dass Cliff Burton aus seinem Bett durch das Fenster geschleudert und vom Bus zerquetscht wurde. Laut Berichten der Band haben Burton und Kirk Hammett Karten gezogen, um zu ermitteln, wer in welchem Bett schlafen würde, da sich die Bandmitglieder zuvor über deren Qualität echauffierten. Burton bekam Hammett´s Bett zugewiesen, der Rest ist tragische Geschichte.

Ruhm durch Tragödie

Zwei Jahre nach diesem tragischen Verlust fand die Band zurück zu alter Stärke. Sie heuerte Jason Newstead als neuen Basissten an und veröffentlichte `… And Justice For All `. Dieses Album zeigte eine erkennbare Verletzbarkeit auf und die anscheinende Reife, die eine Tragödie dieser Größenordnung nach sich zieht. Ab diesem Zeitpunkt schien eine verfeinerte Variante von Metallica geboren worden zu sein. Doch nicht allzu lange Zeit später sollte das Schicksal eine ganz andere Route für die Band vorgesehen haben.

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Vorerst jedoch kam der niemals vorhergesehene Ruhm, welcher leider häufig erst nach einschneidenden Schicksalsschlägen zu kommen scheint. Das Ende der 80er- und der Anfang der 90er-Jahre verbuchte einen Erfolg jenseits der anfänglichen Vorstellungskraft. Plötzlich wurden ganze Hallen, sogar Stadien mit Abertausenden begeisterten Fans gefüllt. Ein Zustand, der über lange Sicht garantierte Folgen mit der kollektiven Psyche mit sich ziehen wird – der Rest von Metallica´s Geschichte wird dies glasklar bezeugen können.

Von kerniger Rohheit zu abgehobener Pseudo-Virtuosität

Ein Portrait der Band Metallica
Bild: Tim Saccenti

Die kernige Rohheit, die anfangs noch der dominierende Faktor und Steckenpferd von Metallica war, ging ein paar Jahre nach dem Burtons Tod immer mehr abhanden. Natürlich reifen Menschen und somit auch Bands mit der Zeit weiter heran. Sie versuchen sich an neue auditive Territorien, um der getätigten Evolution künstlerischen Ausdruck zu verschaffen. Bei Metallica schien nur das 1988 erschienene `… And Justice For All` eine wohltuende, kreative Wende in ihrem musikalischen Schaffen zu sein. Nachdem das schwarze Album herauskam, verliefen die restlichen 90er-Jahre musikalisch nicht gerade rosig.

Der unermessliche Erfolg, den die Band Anfang der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts für sich verzeichnen konnte, gibt Grund zu der Annahme, dass ebendieser den Bay Area Thrashern zu Kopf gestiegen ist. Uninspirierte und schlichtweg faule Alben wie das spirituelle Doppelpack `Load` und ´Reload` von 1996 und 1997, welche dazu noch viel zu lange andauern, folgen dem Trend, den `Metallica` ein paar Jahre zuvor etablierte.

Schwindende Stärke

Drummer Lars Ulrich, der mit 16 Jahren aus seinem gebürtigen Dänemark in die USA immigrierte, spielte immer weniger herausfordernd und schien sich auf den gesammelten Lorbeeren auszuruhen. Sänger und Gitarrist James Hetfield verkam vom wilden Metalhead zu einer Karikatur seiner selbst. Und Lead-Gitarrist Kirk Hammett wirkt so, als ob er ohne jegliche Persönlichkeit geboren wurde. Burton-Ersatz Jason Newstead konnte auch nie an die Finesse seines Vorgängers anknüpfen und wurde schließlich Anfang des neuen Millenniums von Rob Trujillo abgelöst.

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Dass Metallica davon ausging, ihre grundsolide Formel in die Länge zu ziehen und Stücke zu schreiben, deren überlangen Laufzeiten keineswegs gerechtfertigt waren, zeugt von einer gewissen Pseudo-Virtuosität. Einer Virtuosität, mit der sich die langjährigen Mitglieder über die Jahre hinweg identifizierten. 2003 erschien das polarisierende Album `St.Anger`, welches immer wieder aufs Neue der Schmach von Musik-Nerds ausgesetzt war. Letzten Endes war `St.Anger` das letzte Album von Metallica, was das Produkt einer linearen Vision ausmachte. Der rohe Klang, allen voran der dumpfen Snare-Sound wurde konsequent bis zum Ende hin durchgezogen und einige Banger wie `Frantic` oder `Some Kind Of Monster` waren geboren.

Unsere Lesetipps

Alte Männer deplatziert in der Zeit?

Nach `St. Anger` wurde es bis 2008 ruhig im Lager von Metallica. Dann erschien der Nachfolger `Death Magnetic`, der ein durchweg simples wie geniales Albumcover vorweist und musikalisch eine Rückkehr zum alten Stil der 80er-Jahre werden sollte. Die Betonung liegt auf “sollte”. Denn wahrhaftig gelingt es der Kultband nicht, den alten Zauber effektiv und authentisch wieder aufleben zu lassen. Dennoch war es ein nobler Ansatz, diesen Schritt einzugehen. Ganze acht Jahre später sollte er in Form von “Hardwired… To Self Destruct” wiederholt werden.

Diesmal ist das fortgeschrittene Alter der Metallica-Crew deutlich anzumerken und der Funke will einfach nicht mehr richtig überspringen. Zwischen den beiden Alben kam die Kollaboration `Lulu` gemeinsam mit Velvet Underground-Mastermind Lou Reed heraus. Sie stellt den absoluten kreativen Tiefpunkt beider Künstler dar. Eine wahrlich peinliche Arbeit, die lieber hätte begraben werden sollen, anstelle jemals das Licht der Veröffentlichung zu sehen. Es stellt sich die Frage: Scheinen diese alten Männer deplatziert in der Zeit zu sein?

Negativ-Trend

Auch das im April 2023 erschienene Album `72 Seasons` kann diesem Vermächtnis keine zusätzliche Duftnote hinzugeben. Es ist eindeutig besser als `Lulu` – aber das ist auch kein Kunstwerk. Die Songs gehen viel zu lang für das eigentliche Material, was es repräsentiert. Sie scheinen die musikalische Bestätigung dafür zu sein, dass Metallica eine verschobene Wahrnehmung zu ihren eigenen Fähigkeiten entwickelt hat. Selbst Riesen können fallen und es gar nicht mehr realisieren. Metallica ist das Paradebeispiel für dieses Phänomen.

Das mukken Magazin

Unser mukken Magazin mausert sich immer weiter innerhalb der deutschsprachigen Musikjournalismus-Landschaft. Ob es mindestens genauso lange existiert wie die zuvor beschriebene Band Metallica, bleibt natürlich abzuwarten. Trotzdem kannst du ein Teil unseres Weges sein. Schau gerne tiefer in den Kaninchenbau vom mukken Magazin hinein. Neben Features wie diesem hier, gibt es auch Album Reviews, wie zum Beispiel diese hier zu King Gizzard And The Lizard Wizard. Oder schau mal bei unseren informativen Beiträgen zur Musikproduktion wie diesem hier rein.

Ursprünglich veröffentlicht am 28. Juli 2023 aktualisiert am 29. Juli 2023

Fokusthema: Der Schmyt - Underdog, Newcomer und Ausnahmetalent

Originally published on Juli 28, 2023, updated on Juli 29, 2023

Fokusthema: Der Schmyt - Underdog, Newcomer und Ausnahmetalent

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