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Nina Simone Doku: What Happened, Miss Simone?

Das Bild zeigt Nina Simone in der Nina Simone Doku mit nachdenklichem Blick in traditionell afrikanischer Kleidung
Bild: Netflix

Nina Simone – eine der größten Unterhaltungskünstler*innen aller Zeiten. Die klassische Musik, den Blues, den Jazz – sie beherrschte sie alle. Nina war nicht nur eine besonders talentierte Pianistin, sondern hatte auch eine großartige Stimme mit der Tiefe eines Baritons. Mit der Bürgerrechtsbewegung in den 1960er-Jahren wurde sie zur Schutzpatronin der Rebellion – und für diese politische Arbeit schien sie ihre seelische sowie körperliche Gesundheit aufzuopfern. Die Nina Simone Doku „What Happened, Miss Simone?“ unter der Regie von Liz Garbus porträtiert die Künstlerin in einem 101-minütigen Netflix-Film.

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Erste Szene. Applaudierendes Publikum. Nina Simone betritt die Bühne und verbeugt sich – und das auffällig lange. Mit ernster Miene wirft sie einen Blick ins Publikum, bevor sie am Klavierhocker Platz nimmt. Das Grinsen kann sie sich nicht verkneifen. In einer kurzen Ansprache offenbart sie, dass es lange her sei, dass sie einen Auftritt gegeben hat. Seit 1968 sei sie nicht mehr auf der Bühne gestanden. Es scheint ganz so, als wäre dieser Auftritt ein ganz besonderer.

Quickfacts

Name:
Eunice Waymon, später als Nina Simone (Künstlername) bekannt
Geburtsdatum:
21. Februar 1933, North Carolina
Todestag:
21. April 2003, Frankreich
Ehepartner:
Donald Ross (1958 - 1960), Andy Stroud (1961-1971)

Eunice Waymons außergewöhnliches Klaviertalent

Eunice Waymon – später bekannt als Nina Simone – wurde in Tyron, North Carolina zur Welt gebracht. Bereits mit drei Jahren saß die kleine Eunice am Klavier. Ihre ersten Auftritte verdankte sie dann ihrer Mutter, die Predigerin war und sie regelmäßig in der Kirche spielen ließ. Eines Tages entdeckte man das Talent des Mädchens, woraufhin sie intensiven Klavierunterricht bei Mrs Mazzanovich erhielt. Diese hatte Großes mit der kleinen Eunice vor. Sie wollte aus ihr eine der größten Konzertpianist*innen der Welt machen. Um diesem Vorhaben einen kleinen Schritt näher zu kommen, gründete sie die „Eunice-Waymon-Fonds“, welche Spenden für Eunices weitere Ausbildung einsammeln sollten. Doch diese Zeit schien für das junge Mädchen keine einfache gewesen zu sein: Sie fühlte sich furchtbar isoliert – nicht nur, weil sie ständig mit dem Üben beschäftigt war, sondern auch aufgrund ihrer Hautfarbe. Darüber sprechen konnte sie nicht, denn zuhause verbot man ihr, nur ein einziges Wort über Rassenprobleme zu verlieren.

Die unsichtbare Barriere

Die Spendenidee der Klavierlehrerin funktionierte: Nach ihrem Highschool-Abschluss ging es für Eunice eineinhalb Jahre an die Juilliard School in New York – eine der renommiertesten Schulen für Musiker*innen. Als sie ihre Bewerbung für ein Stipendium am Curtis Institute in Philadelphia einreichte, wurde sie jedoch abgelehnt. Erst Monate danach wurde ihr bewusst, dass ihre Hautfarbe und nicht das mangelnde Talent der Grund für die Ablehnung gewesen sein musste. Daraufhin nahm sie einen Job in einer gelinde gesagt schäbigen Bar in Atlantic City an, in der sie als Pianistin und Sängerin auftrat. Da sie nicht wollte, dass ihre Mutter von ihrem Job als Barpianistin erfährt, änderte sie ihren Namen auf Nina Simone. Für Nina sei die Zeit schrecklich einsam gewesen. Sie musste die ganze Nacht durcharbeiten, worunter auch ihr Privatleben litt. Doch ihr blieb nichts anderes übrig. Das Geld sei eine große Unterstützung für ihre gesamte Familie gewesen.

Durchbruch der Nina Simone

1960 wurde Eunice, jetzt unterwegs als Nina, eingeladen, um am Newport Jazz Festival aufzutreten. Ein Meilenstein, denn der Auftritt war ein riesiger Erfolg. Nach dem Festival nahm sie einige ihrer Songs auf, die sie jahrelang performt hatte. Einer schien besonders gut anzukommen: „I Loves You Porgy“ brach alle Verkaufsrekorde, die es zu brechen gab.

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Zu dieser Zeit lernte sie auch Andy Stroud kennen. Die beiden verliebten sich, Stroud gab für seine Geliebte sogar seinen Job auf und wurde zu ihrem Manager. Wenig später wurde Tochter Lisa geboren. Stroud hatte so einiges mit seiner Ehefrau vor. Er wollte sie groß rausbringen, noch größer, als sie ohnehin schon war. Zu dieser Zeit schien Simone jedoch nur ein Ziel vor Augen zu haben: als erste schwarze klassische Pianistin in der Carnegie Hall aufzutreten. Doch kein Konzertveranstalter in New York City wollte das Projekt angehen. Also nahm Stroud sein eigenes Geld in die Hand, um ihren Auftritt zu promoten – welcher Nina zu noch mehr Ruhm verhalf.

Eine Schwarz-weiß-Aufnahme eines Interviews mit der jungen Nina Simone
Bild: Netflix

Ninas destruktives Verhalten unter Strouds Einfluss

Andy Stroud schien seine Ehefrau ziemlich unter Druck zu setzen. Er meinte, dass sie hart arbeiten müsse, wenn sie das Geld bekommen wolle. Das gefiel Nina keineswegs. Es folgten Zorn- und Wutausbrüche, in denen Nina die Kontrolle über sich selbst verlor. Sogar während ihrer Auftritte konnte sie ihre Emotionen nicht unterdrücken und brach Konzerte ab, wenn jemand im Publikum redete.

Nina begann starke Selbstzweifel zu entwickeln, begleitet von depressiven Verstimmungen. Sie fluchte, warf mit Gegenständen um sich und Schlimmeres. Die Arbeit schien sie bis in den Schlaf zu verfolgen, was fatale Schlafprobleme zur Folge hatte. Doch Stroud ließ seine Ehefrau nicht zur Ruhe kommen. Nina ertrug dies still – die Angst vor ihrem Ehemann war zu groß. Sie berichtete sogar von Prügeleien und Vergewaltigungen, die von Stroud ausgingen. Dennoch kam es ihr nicht in den Sinn, sich von ihm zu trennen. Sie schien eine gefährliche Anziehungskraft zum Spiel mit dem Feuer zu haben.

Musik als Waffe: „Mississippi Goddam“ und die Bürgerrechtsbewegung

September 1963 in Birmingham – die Stadt mit der stärksten Rassentrennung. Auf eine Kirche wird ein Bombenanschlag verübt, bei dem zahlreiche dunkelhäutige Kinder ums Leben kommen. Auch Nina Simone ist zutiefst getroffen, woraufhin sie ihre Gedanken in einen Song mit dem Titel „Mississippi Goddam“ verarbeitete. Eben dieser Song machte sie zu einer musikalischen Leitfigur der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. 1965 spielte sie „Mississippi Goddam“ während des Selma-Marsches in Montgomery. Mit dem Aufkommen der Bürgerrechtsbewegung konnte sie endlich das Schweigen brechen – das Schweigen über die Diskriminierung, die sie in ihrem bisherigen Leben am eigenen Leib erfahren durfte. Ihre Musik sollte die konservativen Spießer in den Wahnsinn treiben und gleichzeitig ihren Mitstreiter*innen helfen, gehört zu werden.  In dieser Zeit lernte sie prominente Unterstützer der schwarzen Bürgerrechtsbewegung kennen, darunter Martin Luther King, Malcolm X, Andrew Young und viele andere. Gemeinsam fühlten sie sich dem Widerstand verpflichtet.

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Ninas kontroverse Auftritte und ihre Folgen

Endlich schienen sich Dunkelhäutige zu ihrer Hautfarbe zu bekennen, ohne sich zu entschuldigen. Doch im Laufe der Zeit spielte Nina nur noch politische Lieder, was sich negativ auf ihre Karriere auswirkte. Veranstalter befürchteten, dass nur noch die politische Botschaft hervortreten würde. Bei ihren Auftritten richtete sie provokante Fragen wie „Seid ihr bereit, zu töten?“ an ihr Publikum und hetzte gegen weiße Menschen. Auf der Bühne konnte sie so ihren Emotionen freien Lauf lassen, abseits der Bühne wurde sie jedoch gezwungen, wieder zu schweigen.

Eine Nahaufnahme von Nina Simone aus der Nina Simone Doku
Bild: Netflix

Der Kampf gegen innere Dämonen

Ende der 60er-Jahre schien Nina gegen ihre eigenen Dämonen anzukämpfen. Sie konnte jederzeit außer Kontrolle geraten und gewalttätig werden. Das ging so weit, dass sie sich sogar medizinisch im Krankenhaus durchchecken ließ, jedoch ohne Befund. Von da an schien es nur noch bergab mit ihr zu gehen. Es folgten Wutausbrüche, Nervenzusammenbrüche und Sexanfälle, in denen sie Stroud zwang, sie sexuell zu befriedigen.

Rückkehr nach Afrika, Rückkehr auf die Bühne

Der Mord an Martin Luther King stellte einen entscheidenden Wendepunkt in Ninas Leben dar. Der Vorfall veranlasste sie dazu, zurück in die Heimat, zurück nach Afrika zu gehen. Als sie in Liberia ankam, war sie glücklicher denn je und genoss ihre Freiheit in vollen Zügen. Doch als sie ihre Tochter Lisa zu sich holte, schien Nina die Gewalt, die sie jahrelang am eigenen Leib erleben musste, nun an ihrer eigenen Tochter auszuüben. Das ging so weit, dass Lisa mit dem Gedanken spielte, Suizid zu begehen. Zu dieser Zeit mied Nina jeglichen Kontakt mit Musik, was gleichzeitig bedeutete, dass sie keine Einkünfte hatte. Daraufhin beschloss sie, in die Schweiz zu ziehen und ihre Auftritte wieder aufzunehmen. Wir sind wieder bei der ersten Szene der Nina Simone Doku angekommen: Ninas Rückkehr auf die Bühne.

Tiefpunkt, gefolgt vom Comeback

Nina Simone auf der Bühne, ihre Hand in die Höhe gestreckt
Bild: Netflix

Es folgte ein erneuter Tiefpunkt in Form von finanziellen Problemen in Ninas Leben. Von Stroud, der als Manager auch ihre Finanzen im Blick hatte, schien sie nie einen Groschen gesehen zu haben. Daraufhin ging sie nach Paris und landete erneut in einer Bar. Dort trat sie Abend für Abend für 300 Dollar pro Auftritt auf. Doch ihr Ruhm machte ihr einen Strich durch die Rechnung: zu ihren Auftritten erschienen kaum Leute. Sie sei zu berühmt gewesen. Kurz darauf wurde Nina mit „Bipolarer Störung“ diagnostiziert. Verschriebene Medikamente sollten ihr helfen, ihre Karriere wieder in Gang zu bringen – was durchaus funktionierte. 2002, drei Jahre vor ihrem Tod, wurde sie sogar in die „Grammy Hall of Fame“ aufgenommen.

Wo finde ich „What Happened, Miss Simone“?

Als Stream auf Netflix

Wie viele Alben hat Nina Simone?

Nina Simone nahm 27 Studioalben auf, darunter „Baltimore“ (1978), „Here Comes the Sun“ (1971), „I Put a Spell on You“ und viele weitere.

Wie und wo ist Nina Simone gestorben?

Nina Simone starb im Jahr 2003 nach langem Krebsleiden in Südfrankreich, wo sie sich vor ihrem Tod niedergelassen hatte.

Das sagt unsere Autorin zur Nina Simone Doku

„What Happened, Miss Simone?“ ist mehr als nur eine Dokumentation über eine dunkelhäutige Sängerin und Pianistin. Die Netflix Doku - du wirst mir ohne Frage zustimmen, sobald du die Doku gesehen hast - zieht einen wortwörtlich in den Bann. Der Regisseurin ist es meiner Meinung nach hervorragend gelungen, das Leben von Nina Simone wahrheitsgetreu nachzuzeichnen. Simones außergewöhnliches musikalisches Talent, ihr Engagement für die Bürgerrechtsbewegung, ihre Rolle als Ehefrau und Mutter - all diese Facetten bildet Garbus in einem sorgfältig zusammengestellten Porträt von Nina Simone ab. Doch die Tragik im Leben der Sängerin überwiegt eindeutig. Trotz ihres unglaublichen Talents und Einflusses in der Musikwelt beleuchtet der Film auch ihre psychischen Probleme, unter anderem ihre fatalen Wutausbrüche und Zornanfälle, die zum Teil auf Simones bipolare Störung zurückzuführen sind und die sowohl ihr Ehemann als auch ihre Tochter ertragen mussten. Gesagt werden muss, dass Ehemann Stroud keineswegs ein Unschuldslämmchen war - schließlich war er derjenige, der seine Ehefrau konstant unter Druck setzte, sie ständig bevormundete und ihr gegenüber gewalttätig wurde. Als aber erwähnt wird, dass Simone auch Gewalt an ihrer eigenen Tochter ausübte, scheint das Mitgefühl für sie kurzzeitig zu schwinden - zumindest empfand ich das so. Gegen Ende der Doku empfand ich wieder tiefes Mitleid mit der Sängerin, als sie ihrem Tiefpunkt zusteuerte und schlussendlich die Diagnose „Bipolare Störung“ bekam. Mach dich auf eine Gefühlsachterbahnfahrt gefasst – ich gebe der Doku 4,5 von 5 Sternen!

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Ursprünglich veröffentlicht am 2. August 2023 aktualisiert am 2. August 2023

Originally published on August 2, 2023, updated on August 2, 2023

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