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Siege Column TOD 2023 (Youtube)
Am Wochenende vom 15.09. bis zum 16.09. 2023 fand in Prag zum zweiten Mal das Tones Of Decay, kurzum TOD, statt. Das Schwesternfestival zum Kill Town Death Fest arbeitet in stringenter Kooperation mit dem Hauptveranstalter des KTDF, Daniel Abecassis, zusammen und bucht durch Killtown Bookings die spielenden Bands. Im Vorjahr fand das TOD zum ersten Mal statt und lief lediglich für einen Tag. Dieses Mal kam ein zusätzlicher Tag hinzu und insgesamt 13 Bands aus sieben verschiedenen Nationen konnten für die zweite Edition des TOD gewonnen werden. Die Location blieb dieselbe wie bei der ersten Ausgabe, die sogenannte MeetFactory im Prager Bezirk Smichov. Der Gründer des Festivals ist Marek Drahota, Gitarrist der aufstrebenden tschechischen Death Metal Band Sněť, was sich in Wundbrand übersetzen lässt.
Ihm ist es gelungen, einige Bands, die bereits auf dem KTDF auftraten, für das TOD zu buchen und sogar noch ein paar Asse aus dem sprichwörtlichen Ärmel zu ziehen. Die großen Headliner sind Rippikoulu aus Finnland, die bereits in den frühen 90ern verdammt harte Töne anschlugen, und die Old School Death Metal Kapelle Siege Column aus New Jersey, die ihren ersten Aufritt außerhalb von Nordamerika auf dem TOD spielen. Können diese und die restlichen Bands überzeugen? Und wird das TOD weiterhin an Größe und Reichweite erlangen, oder schon in der nahen Zukunft in einem leeren Grab liegen? Unser Redakteur Hannes war live vor Ort und liefert Antworten auf diese Fragen im kommenden Festivalbericht!
Zunächst sei direkt gesagt, dass die Veranstaltungsstätte für das TOD gar nicht so einfach zu finden ist, denn sie befindet sich in einer abseitigen Straße in unmittelbarer Nähe der Bahngleise der Station Smichov. Ein Indoor-Festival inmitten eines tristen Niemandslandes zwischen Gleisen, stillgelegten Zugwaggons und der röhrenden Autobahn, mit verrostetem Metall soweit das Auge reicht. Die Vorbereitungen schreiten gemächlich voran, zirka zwei Stunden vor offiziellem Beginn fängt der Einlass an. Direkt am Eingang wird man von einer aufgeknüpften Puppe mit dem Konterfeit Lenins in Empfang genommen, welche ein TOD-Shirt trägt. Dass die Initialen des Festivals TOD buchstabieren, ist ein schönes morbides Detail und ein cleverer linguistischer Schachzug des Veranstalters Marek Drahota.
Am Eingang ist ein kleines Essenszelt aufgestellt worden, welches die Death Metal Fans mit Falafel, Veggieburgern und Baguette-Sandwiches versorgt. Im Foyer gibt es eine Bar und Merch-sowie Schmuckstände, die zu fairen Preisen die Waren an die Menschen bringen. 40 CZK kosten Softdrinks, während Bier und Schnaps zwischen 50-70 CZK angesiedelt sind. Die Baguettes sind bei 80 CZK angesetzt, wobei die Burger und Falafel stolze 170 CZK verlangen. Alles ist zutiefst gemütlich und klein gehalten, dennoch strotzen die gebuchten Bands nur so von technischer Finesse und einer respektablen Reputation innerhalb des Death Metal Zirkels.
Insgesamt treten 13 Bands aus sieben verschiedenen Nationen auf und die einzige heimische Band spielt als allererstes am Freitag und hört auf den Namen Mordloch. Fünf Bands performen am Freitag ab 19 Uhr, und die restlichen acht spielen ab 16 Uhr am Samstag. Lediglich eine Bühne existiert, was dafür sorgt, dass es absolut keine Überschneidungen beim TOD geben kann. Vom ersten Tag an geht es überpräzise los, Mordloch beginnen bereits um 18:59 Uhr. Gesegnet mit einem guten Sound lassen sie ihre halsbrecherischen Grooves über die Menge hinwegfegen.
Die dreifache Vocal-Attacke der kompletten Saitenfraktion sorgt für zusätzliche Dynamik. Das Publikum ist in keiner Weise verhalten und initiiert bereits zu Beginn gewalttätige Moshpits. Schon beim Opener fällt einem der große Anteil von Jungspunden innerhalb der Audienz auf, was immer wieder für ein breites Grinsen sorgt, wenn sehr junge Menschen sich derart fieberhaft einem bestimmten Musikstil verschreiben. Nach nur 25 Minuten ist bereits das erste Set auf dem TOD zu Ende, und die Meute lechzt bereits nach mehr!
Als nächstes erscheint die junge polnische Band Clairvoyance auf der Bühne, ein Fünfergespann mit einem einzigen Sänger. Nun füllt sich der Raum vor der Bühne merklich, und die Menschen sind nach wie vor enthusiastisch am Feiern. Der Sound spielt leider nicht vollkommen mit und untergräbt den Einschlag, den der dunkle, ominöse Death Metal der Polen abliefern könnte. Die Vocals sind etwas leise und der Grundtonus eher schwammig, dennoch stellt die Musik einen unausweichlichen Sog des unvermeidlichen Endes dar, welche durch zermalmende Beats und große, brutale Breaks akzentuiert wird. Als zusätzlichen Bonuseffekt wird die Bühne durch purpurnes Licht in ein psychedelisches Gefilde verwandelt, wo das Set für eine knappe halbe Stunde währt. Als drittes tritt das dänische Trio von Strychnos auf, welches ihre sehr basslastige Musik darbietet. Im direkten Vergleich zu deren Set auf dem KTDF spielt der Sound dieses Mal deutlich besser mit und hebt die Dänen musikalisch deutlich aus der Masse hervor, mithilfe ihres Fokus auf Dissonanz und unheimlicher Black Metal Elementen. Ihr Stil mag vielen auf dem TOD zu eigenartig sein, denn die Zuschauerschar hat bereits deutlich abgenommen und nach 40 Minuten ist Schluss für die dänischen Todesanbeter.
Nachdem drei sehr unterschiedliche Bands das TOD 2023 erfolgreich eingestimmt haben, folgen noch zwei weitere Bands, um den ersten Tag zu den Akten zu legen. Fünf irre Finnen in Gestalt von Corpsessed werden von einer regen Schar innerhalb des Publikums bereits wahnhaft erwartet. Der alles einnehmende Sound reißt die Hörerschaft förmlich in den Abgrund und die Fans in der ersten Reihe hissen die finnische Flagge und bescheren dem TOD die ersten Stagediver des Festivals. Einprägsame Melodien werden angestimmt, welche im Zusammenspiel mit der brachialen Gewalt perfide harmonieren und somit einen monumentalen Druck auf die Menschenmenge loslassen.
Auf dem Gesang liegt ein heimsuchender Hall, der die morbide Stimmung weiter zementiert. Corpsessed stehen für Old School Death Metal Anbetung in modernem Klanggewand und malträtieren das Fest für 40 Minuten. Den Abschluss bildet eine weitere finnische Formation namens Lie In Ruins. Ebenso wie Strychnos sind sie angehaucht vom Dunst des Black Metals. Bei ihnen funktioniert dieser Stil jedoch deutlich besser und ist gleichzeitig schwermütig und melancholisch. Aggression und Besonnenheit geben sich bei Lie In Ruins die Hand und eine Aura der Trostlosigkeit zieht sich durch ihr musikalisches Werk. Knappe 45 Minuten verdient sich die letzte Band des Abends und jeder Band ist es gelungen, pünktlich anzufangen, großes Lob an die Organisation!
Am Samstag folgt eine Premiere für das junge Festival in Form des zusätzlichen Tages. Der Veranstalter taucht erst eineinhalb Stunden vor Beginn der ersten Band auf, alles geht nach wie vor gediegen vonstatten. Einige weitere Gäste tauchen für den letzten Tag auf und neben der MeetFactory findet parallel eine Kunstaustellung statt, die sich mit dem Phänomen der menschlichen Migration befasst, was ein angenehmes Kontrastprogramm darbietet. Als erstes treten Autophagy, ebenfalls wieder enorm pünktlich, in der alten Industriehalle auf und sind mit einem hervorragenden Sound gesegnet.
Die US-Amerikaner bilden eine Sänger/Drummer Konstellation, die es gewaltig in sich hat und einen besonderen Charme ausübt, da die Ansagen von ihm im Growl-Format durchgegeben werden. Es muss hervorgehoben werden, dass er eine bemerkenswerte Leistung hinlegt, denn sogar während rasend schneller Blast-Passagen absolviert er gekonnt die Gurgel-Vocals. Zu einem Zeitpunkt reißt dem Gitarristen die Saite ab, wobei er die Zwischenzeit nutzt, um mit diabolischen Gegrunze die Verzögerung unterhaltsam zu überbrücken. Zusammen mit der Verzögerung liefern Autophagy ein großartiges Set ab, welches auf 40 Minuten am Ende kommt.
Als zweites tritt die zweite dänische Band Chaotian auf, welche auch sehr auf einen durchdringenden Bass-Sound gepolt sind. Dieser lässt die Gedärme erzittern und macht enorm viel Spaß zuzuschauen und als krönenden Abschluss gibt es noch ein Bass-Solo und nach 40 Minuten ist Schicht im Schacht. Darauf folgen die Frankokanadier Sedimentum, bei denen sich der Gitarrist und Drummer die Gesangspflichten teilen und schleimigen, triefenden Death Metal mit Gegröle aus dem Abgrund abliefern.
Sämtliche Texte sind aud Französisch verfasst, was allerdings nicht weiter ins Gericht fällt, da sie gegurgelt überhaupt nicht zu verstehen sind. Sedimentum sorgen für den größten Moshpit des TOD bisher und metzeln die Halle für eine Dreiviertelstunde nieder. Danach kommen Gutless aus Australien auf die Bühne und spielen im Vergleich zu den anderen Bands eher Standard Death Metal, der live dennoch ziemlich viel Spaß bereitet. Der Fokus ist klar auf brutalen Groove ausgelegt, während die Vocals im Hintergrund agieren und das Set dauert lediglich 35 Minuten.
Bei Of Feather And Bone, einer weiteren US-Amerikanischen Kapelle, deren Gimmick es ist, die mystische und brutale Kultur der Azteken als Leitmotiv ihrer Musik zu benutzen, fangen sogar fünf Minuten früher an als geplant. Brennende Kerzenständer flankieren die Bühne und lassen ins mythische Land entführen. Sie klingen live wesentlich besser als auf Platte und können mit einer kommandierenden, souveränen Bühnenpräsenz überzeugen. Der Drummer ist enorm fingerfertig und macht Of Feather And Bone zur schnellsten Band auf dem TOD und begrenzt das Set auf runde 40 Minuten.
Nun ist es soweit und die Horden von Fans des finnischen Death Metal frohlocken, denn die legendäre Band Rippikoulu, welche in den frühen 90ern unfassbar hartes musikalisches Material veröffentlichte, beginnt zu spielen. Die Resonanz des Publikums ist die mit Abstand größte, denn die Menge schreit den Bandnamen konstant aus vollen Kehlen. Mit fast 50 Minuten spielen Rippikoulu das längste Set des Festivals, was mehr als verdient ist, denn sie bieten Melodien zum Niederknien und bilden somit einen regelrechten Trancezustand. Ein wahrer Headliner und klares Highlight, ehrfurchtsvoll und professionell prügeln sie ihr Set durch, und selbst ein kurzer Gitarrenausfall hält die Bands mitsamt Fans nicht auf.
Mit Tyranny folgt ein exklusives TOD-Set, die ihren schweren und trägen Funeral Doom der besonders hoffnungslosen Sorte etwas verspätet starten. Alle Bandmitglieder sind in Mönchskutten gehüllt und der Sänger übernimmt nebenbei Keyboards und eine Effektmaschine. Das unvermeidliche Ende rückt immer näher heran und nach der Todestrance in Überlange von Tyranny erscheint es kurz nach 23 Uhr in Form einer Band aus New Jersey, Siege Column. Dies stellt ihr allererstes Konzert auf europäischen Boden dar und kombiniert hervorragend Metal und Crust Punk.
Old School ist hier das Zauberwort und wird mit jeder Pore ausgeschwitzt, dadurch wird der Spirit dieser vergangenen Bewegung heraufbeschworen, ohne dass es dabei aufgesetzt wirkt. Siege Colums verfügen über eine gewaltige Energie live und infektiöse Riffs. Eigentlich sind sie als Duo unterwegs, doch im Live-Setting spielen sie als Quartett. Die letzten Kräfte der Teilnehmenden werden nochmal mobilisiert und die Hölle auf Erden bricht förmlich aus, mit Stagediving galore! Völlig zurecht auf dem letzten Slot des TOD und eine wahre Empfehlung für eine kompromisslose Performance!
Devil's Knights of Hell (Spotify)
Zum Abschluss sei gesagt, dass das Tones of Decay eine geniale Location mit perfektem Sound für schwere, metallische Töne bietet und durch die Kombination aller Faktoren eine besonders morbide Stimmung erzeugt. Alles ist sehr überschaubar und macht es schier unmöglich, seine eigens gebildeten Truppen jemals aus den Augen zu verlieren. Trotz globaler Inflation ist es im konkreten Vergleich zu deutschen Festivals noch recht günstig – Ticketpreise für beide Tage werden mit rund 65 Euro taxiert; Getränke-und Essenspreise sowie Merch sind ebenfalls recht fair ausgelegt.
Die Bands und das Publikum haben eine Menge Spaß und sorgen in Konjunktur dafür, dass es angenehm für alle Anwesenden über die Bühne geht und die gemeinsame Passion im Vordergrund steht. Allerdings bleibt abzuwarten, ob das TOD in die dritte Runde gehen wird, denn es war, genauso wie das KTDF anno 2023, nicht ausverkauft und es wurde leider insgesamt ein Minusgeschäft erwirtschaftet. Gegönnt sei es dem sympathischen Festival, dass eine langlebige Existenz für sich verbuchen darf.
Rippikuolu
Hat dir dieser Beitrag zum kleinen, aber feinen Tones Of Decay gefallen? Dann sträube dich nicht und genieß den weiteren Content, den dir das Magazin von mukken.com mit brennender Leidenschaft liefert. Neben weiteren Festivalberichten, wie etwa dem Brutal Assault in Tschechien, finden sich hier auch zahlreiche Artikel zu Konzerten. Hierfür wäre das großartige Rock´n´Roll Konzert der Eagles Of Death Metal eine klare Empfehlung. Neben Live-Berichten finden sich auf dem mukken Magazin ebenfalls Features zu aufstrebenden und bereits etablierten Musikschaffenden, die es wert sind, über sie berichtet zu werden. Hinzu kommt eine Kolumne mit aussagekräftigen Meinungstexten unseres diversen Teams, die sich mit polarisierenden Themen innerhalb des Musikkosmos auseinandersetzen. Falls du noch mehr Input benötigst, dann schau auf unseren Social-Media-Kanälen wie Instagram und TikTok vorbei, denn hier tummelt sich eine Menge zusätzlicher, wissenswerter Inhalte. Sei dabei und unterstütze mukken.com – weil Musik zusammenbringt!
Ursprünglich veröffentlicht am 21. Februar 2024 aktualisiert am 21. Februar 2024
Originally published on Februar 21, 2024, updated on Februar 21, 2024