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Vienna Calling: Wiens Musikszene jenseits der Klischees

Ausschnitt aus demm Trailer von Vienna Calling
Bild: Trailer (YouTube)

„Vienna Calling“ – so lautet der Dokumentarfilm von Philipp Jedicke, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Wiens neue Musik- und Kulturszene wahrheitsgetreu nachzuzeichnen. Dies gelingt ihm, indem er eine Handvoll Wiener Künstler*innen, darunter der Nino aus Wien, Voodoo Jürgens, der Falco-inspirierte Musiker Gutlauniger und viele mehr, auf Schritt und Tritt mit der Kamera verfolgt. Da mag es auch wenig verwunderlich erscheinen, dass sich Privates und die Arbeit an neuen Projekten vermischen.

Quickfacts

Name:
Philipp Jedicke
Geburtsjahr:
1977, Kehl, Baden-Württemberg
Filme:
Shut Up And Play the Piano Doku (2018), Vienna Calling (2023)

Zwischendurch gibt es dann auch noch stimmungsvolle Aufnahmen von der österreichischen Bundeshauptstadt und ihren Vorzügen, darunter Luftaufnahmen, die die Neue Donau bei strahlendem Sonnenschein ablichten, und nicht zu vergessen: Die Wiener „Beisl“ (für all diejenigen, denen der Begriff fremd ist: Wiener Lokale). Hier und da werden die Szenen von Konzerten oder Musikvideos der vorkommenden Künstler*innen unterbrochen. Eines steht jedoch fest: Du kannst dich auf eine fesselnde, nicht dem üblichen Schema folgenden Doku "Vienna Calling" gefasst machen, die dich mit der Wiener Musikszene vertraut macht.

Jedickes Wiener Begegnungen

Man kennt ihn – den Wiener Schmäh, der immer sitzen muss und den deutschen Regisseur Jedicke immer wieder von Neuem in den Bann zu ziehen scheint. Seit 2015 hat es ihn immer wieder nach Wien verschlagen – einmal um mit Lydia Haider und Stefanie Sargnagel, zwei österreichischen Autorinnen, im Café Weidinger im 8. Bezirk die Wiener Kaffeekultur zu leben, einmal um Keronsin95 auf der Suche nach DEM Brautkleid mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und einmal um dem Moped von Enes von Esprap den finalen Glanz zu verpassen.

Wanda, Bilderbuch und das Geheimnis ihrer Abwesenheit in Vienna Calling

Vor knapp zehn Jahren feierten die beiden österreichischen Bands „Wanda“ und „Bilderbuch“ ihren Durchbruch. Wanda habe damals frischen Wind in die Musikszene reingebracht, indem sie sich in ihren Liedern abgründig und hedonistisch über die Themen Saufen, Sex und Drogen geäußert haben. Im Nachbarland Deutschland habe man sich bis dato eher noch bedeckter gehalten. Bilderbuch sei es gelungen, eine Sprache neu zu erfinden, die um einiges frischer Klang und jedem Lied das gewisse Etwas verlieh.

Warum Wanda und Bilderbuch, die mit ihrer Musik die internationalen Grenzen längst überschritten haben, in Vienna Calling jedoch nicht vorkommen? Gute Frage. Jedicke meint, dass er zwar angefragt habe, der Terminkalender dann aber doch zu voll gepackt zu sein schien. Mittlerweile sei er aber recht froh darüber, denn sonst wäre die Doku nicht das, was sie jetzt ist. Dennoch wird der älteren Generation in gewissen Szenen Tribut gezollt. So zeigt eine Szene, wie sich der Nino aus Wien die Haare von Falcos ehemaligen Friseur des Vertrauens schneiden lässt.

Österreich im Blut

Die Wurzeln von Jedickes Faszination für die österreichische Musikszene reichen weit zurück und sind eng mit seiner Familiengeschichte verknüpft. Seine Oma, gebürtige Österreicherin, hörte schon damals immer Falco und EAV, und ein enger Freund kam ebenfalls aus dem wunderschönen Alpenland. Während der 90er Jahre hörte er viel „Kruder & Dorfmeister“ sowie „Naked Lunch“, und in den Nullerjahren kamen dann „Ja, Panik“ hinzu. So richtig auf den Geschmack gekommen sei er aber erst, als Bilderbuch und Wanda ihren Durchbruch feierten. Als er dann auch noch Voodoo Jürgens und Den Nino aus Wien zum ersten Mal hörte, zog es in endgültig in den Bann der Wiener Austropop-Szene.

Durch die Gassen Wiens bei Nacht

In der Doku “Vienna Calling” scheint eine Nacht im Jahre 2015 Jedicke besonders in Erinnerung geblieben zu sein. Nachdem er das Release-Konzert des Wanda-Albums „Bussi“ besucht hatte, zog er mit einigen Einheimischen durch die nächtlichen Straßen Wiens. Damals habe es das Gefühl gehabt, dass die Stadt mit einer Aufbruchsstimmung pulsierte, in der alles erreichbar und möglich schien. Er traf auf viele österreichische Künstler*innen, von dessen positiver Energie und deren gelassene Wiener Art er in den Bann gezogen wurde. In dieser Nacht realisierte er zum ersten Mal, dass es in Wien völlig normal sein dürfte, nicht auf E-Mails zu antworten. Denn man würde sich ja ohnehin irgendwo über den Weg laufen – so Jedicke.

Ein Wien jenseits von Schloss Schönbrunn

Vor allem sei es Jedicke ein Anliegen gewesen, das vorherrschende Klischee eines*r Deutschen vom sogenannten „Sisi-Wien“ aufzuräumen. Ja, es stimmt, dass die Kaiserin Sisi in Wien im prachtvollen Schloss Schönbrunn hauste; doch Wien habe so viel mehr zu bieten als diese eindimensionale Vorstellung. Das zeigt auch die Doku “Vienna Calling”. Nehmen wir zum Beispiel das "grindige" Wien her: Hierbei handelt es sich um das authentische, ungeschliffene Wien, das weit entfernt von den touristischen Glanzpunkten und Postkartenmotiven sei.

So werden Zuschauer*innen zur Schwarzen Messe mit Autorin Lydia Haider und Veranstalter Samu Casata über geheime Eingänge in die Kanalisation geladen. Weiters sieht man Keronsin95, die mit einem Brautkleid über die betonierten Weiten von St. Marx sprintet, um dort inmitten der urbanen Einöde ein Schlagzeugsolo zu spielen. Ausschnitte zeigen Voodoo Jürgens, während er in einem Peep-Show-Setting auf einem sich rotierenden Plüschsofa sitzt, und von Zuschauer*innen durch kleine Schaulöcher beobachtet wird. Es sind Aufnahmen, die man nicht so schnell vergisst – ein Grund mehr, die Doku Vienna Calling anzuschauen.

Nur echter Wiener Sound darf rein

Jedicke habe bei der Auswahl der Künstler*innen, die in seiner Doku vorkommen sollten, schon von Anfang an ein Ausschlusskriterium getroffen, und zwar englischsprachige Bands aus Wien. Nicht aus Wien stammende Zuschauer*innen sollen nämlich die Möglichkeit bekommen, den waschechten Wiener Zungenschlag kennenzulernen. Weiters war es auch nicht seine Absicht, in veralteten Archivaufnahmen zu stöbern. Vielmehr wollte er das junge Blut in der Wiener Musikszene abbilden – wobei der Nino aus Wien auch nicht mehr unbedingt der Jüngste ist.

Rezension

Vienna Calling ist sicherlich keine klassische Musik-Doku, die das Leben einiger bekannter Wiener Künstler*innen portraitiert. Vielmehr werden „Alltagsgschichten“ vermittelt, in denen sich Privates und Berufliches vermengen. Die Künstler*innen werden auch nicht mit ihrem Namen vorgestellt – um welchen*r Künstler*in es sich dann konkret handelt, weiß man also schon davor nicht. Bei Zweiterem lernt man dann halt eben neue Musik kennen. Wenn einem diese zusagt, eignet sich die App „Shazaam“, um herausfinden, welche*r Sänger*in denn hinter einem Lied steckt.

Bei Vienna Calling wirken viele Szenen auffallend arrangiert, auch wenn das für Dokumentationen nicht unüblich ist und ich mir dessen bewusst bin. Vielleicht war das aber auch Jedickes Absicht. Stören tut es nicht. Ganz im Gegenteil sogar, denn es sind inszenierte Szenen, die man gerne auf sich nimmt. Insbesondere waschechte Wiener*innen, so wie ich es bin, können sich ihr eigenes Spiel daraus machen, die Ecken der Stadt, die in Vienna Calling vorkommen, zu erkennen. Und obwohl ich gedacht habe, alle Ecken Wiens in- und auswendig zu kennen, scheint mich der Film eines Besseren belehrt zu haben.

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Du möchtest auch etwas zu weiteren spannenden Dokumentationen über Popmusiker*innen wie Taylor Swift oder Katy Perry lesen? Dann schau doch im mukken Magazin vorbei und wirf einen Blick in die Kategorie Filme & Bücher. Falls du noch mehr über die kulturelle Seite von Wien und dessen musiklaische Geschichte erfahren möchtest, dann lies dir gerne unseren Beitrag zur Wiener Klassik durch. Mit unserer mukken Musikersuche kannst du dich mit gleichgesinnten Musiker*innen austauschen und dich selbst präsentieren. Lass dir diese Gelegenheit nicht entgehen und erweitere dein Netzwerk!

Wo finde ich „Vienna Calling“?

Noch findest du Vienna Calling nirgends, denn gerade erst auf die Leinwände der österreichischen Kinos gekommen.

Wann entstand der Austropop?

Der Austropop hat seine Wurzeln in den 1960er Jahren.

Was ist typisch für den Austropop?

Austropop ist ein musikalisches Phänomen aus Österreich und bezeichnet Popmusik, die insbesondere durch ihre spezifisch österreichischen Charakteristika geprägt ist. Typisch für Austropop sind die deutsche Sprache, die Themen, Sozialkritik, Authentizität sowie Humor und Ironie.

Wer war der erfolgreichste Austropop Künstler in Österreich?

Wer, wenn nicht er: Falco. Der am 19. Februar 1957 als Johann Hölzel in Wien geborene Falco ist bis heute der international erfolgreichste österreichische Popmusiker überhaupt. Als einzigem Österreicher gelang es ihm, mit seinem Welthit „Rock me Amadeus“ in den USA die Spitze der Charts zu erklimmen.

Bewertung

5/5 Sterne

Ursprünglich veröffentlicht am 12. Dezember 2023 aktualisiert am 12. Dezember 2023

Fokusthema: Bo Burnham: Inside – Eine dokumentarische Musikkomödie für unsere verwirrte Zeit

Originally published on Dezember 12, 2023, updated on Dezember 12, 2023

Fokusthema: Bo Burnham: Inside – Eine dokumentarische Musikkomödie für unsere verwirrte Zeit

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