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Nach über 25 Jahren Abstinenz aus dem Musikbusiness melden sich die finnischen Querköpfe Xysma im Jahre 2023 mit dem brandneuen Album “No Place Like Alone” zurück. Damit servieren sie Rockmusik, die von gereiften Persönlichkeiten zeugt. Die neue Platte beinhaltet zehn Songs, welche gravierend innerhalb des Werkes voneinander abweichen und für eine musikalische Achterbahnfahrt sorgen. Ob diese Fahrt einem Vergnügen gleicht oder doch eher einer ungemütlichen Tour durch eine Geisterbahn gilt es in dieser Album-Review herauszufinden.
Denn auch wenn die Bandmitglieder als Menschen reifen, gilt dies nicht zwangsläufig für die individuelle Musik, welche als Resultat kreiert wird. “No Place Like Alone” erschien am 24. März 2023 über das finnische Plattenlabel Svart Records. Mit seinem simplistischen Cover, welches die Band adrett gekleidet und bis auf einem in Sitzposition ablichtet, bezeugt es, dass dies keine metallische Walze sein wird. Ursprünglich startete die Band Ende der 80er als widerwärtiger Goregrind-Act. Goregrind ein Subgenre des Grindcore und beschäftigt sich explizit mit gewalt-getränkten Fantasien. Insbesondere den Gesang gelangt mithilfe eines Pitch Shifters auf unmenschlich tiefe Frequenzen, was ein Ekelgefühl aufkommen lassen kann.
Seit 1988 existiert die finnische Formation Xysma, welche aus der Stadt Turku stammt. Innerhalb der internationalen Metal-Szene kann Turku als eine Art Pilgerstätte angesehen werden. Festivals und Co. werden dort jährlich veranstaltet. Der Name steht für Teile, die Stücken von Membranen ähneln, welche im Stuhlgang von Durchfall vorzufinden sind. Sänger Janitor Mustasch und Drummer Marvellous Sidney Safe sind seit Bandgründung feste Mitglieder. Gitarrist Oliver Lawny stieß 1989 hinzu. Bassist Dr. Heavenly trat Xysma 1992 bei. Lediglich der Keyboarder Janne Lastumäki agiert erst seit 2019 in der Band. Xysma gilt als die erste Grindcore-Band Finnlands durch ihre 1989 erschienene Demo “Swarming Of The Maggots“. 1990 folgte “Above The Mind Of Morbidity“. Beide Releases zementierten den Pionierstatus der Band und sind Referenzwerke des frühen Goregrind.
Trotz dieser gewaltigen künstlerischen Versiertheit und Kompetenz wechselte Xysma nur ein Jahr später mit dem Album “Yeah“ von extremem Metal hin zu einer eklektischen Mischung aus 70er-Heavy Rock und Death Metal. Die Beach Boys treffen auf Napalm Death. Eine kuriose Mischung, die erstaunlicherweise schlüssig aufgeht.
Die radikale Transformation von Xysma endete aber nicht dort, sondern entwickelte sich stets durch die 1990er-Jahre weiter. Bis 1998 war die Band aktiv dabei, ihren musikalischen Horizont regelmäßig zu erweitern. Sie spielten zuteilen reinen Retro Rock und am Ende sogar Pop. Im Jahr 1998 trennte sich die Band vorerst, nur um sich nach dem Tod von Thee Stranius, dem Gitarristen der Band seit 1993, 2006 für einen Tribut-Gig zusammenzufinden. Seit 2011 spielt Xysma wieder Live-Shows und zwölf Jahre später wurde das neue Album “No Place Like Alone“ veröffentlicht, auf welchem sie in Stoner/Garage Rock-Gefilden herumexperimentieren. Begeben wir uns nun an das Eingemachte und gehen die neue Platte durch, um zu bestimmen, ob sich die lange Abstinenz vom Musizieren ausgezahlt hat.
Das Album beginnt ohne Umschweife mit der ersten Single-Auskopplung Well Seasoning (1). Ein frisches Rock´n´Roll-Riff, was einen förmlich dazu zwingt, den Körper in Bewegung zu setzen, leitet den Song ein. Der atypische Gesang bannt und verwirrt gleichzeitig – der gute Herr besitzt ein beträchtliches Stimmvolumen. Die Rock´n´Roll Nummer wartet noch mit einem verträumten Refrain auf, der ein melodiöses Herz beherbergt. Ein durch und durch solider Einstieg! Nach dem gelungenen Start geht es mit Model 670 (2) weiter, der unversehens rauere Töne anschlägt und mit einem teuflischen Groove zu überzeugen weiß. Das Keyboard spielt bisweilen eher im Hintergrund, im weiteren Verlauf des Songs wird es immer prominenter.
Der neon-triefende Midnight Call (3) ist ein Callback in die Synth-dominierten 80er. Zur Hälfte des Songs ertönt ein psychedelischer Break, untermalt durch eine Spoken-Word-Passage. Allgemein könnte dieser Song ein verlorenes Stück im Soundtrack ikonischer Serien wie “Miami Vice“ sein. Ein klares Highlight, welches mit einigen Wendungen aufwartet und von Gitarrenleads und Keyboard-Salven dominiert wird.
Nach diesem kompositorischen Highlight folgt ein wahres Groove-Highlight mit Mr. Fulltrade (4). Äußerst düstere Klänge werden angestimmt, die hauptsächlich von den Moll-lastigen Pianoparts erzeugt werden. Zum Ende mutiert das Lied in ein atmosphärisches Klanggewitter, wo Stakkato-Riffs und hämmernde Tastenschläge an der Macht stehen. Die Hälfte des Albums wird mit Final Episode (5) willkommen geheißen. Erneut werden die Synthesizer-Klänge der 80er eindrucksvoll und melancholisch gehuldigt. Leidende, schmerzerfüllte Gitarren lösen das Intro auf und gehen über in ein old school Rock´n´Roll Riff. Mindere Bands würden diesen Song als großes Finale des Albums wählen. Bei Xysma markiert er lediglich den Mittelpunkt, der am Ende nach einem durchgängigen gemäßigten Tempo in eine echte Rock´n´Roll Fanfare explodiert.
Earthrise (6) leitet die zweite Phase von “No Place Like Alone“ ein. Ein weiteres atmosphärisch dichtes Werk, in welchem allen voran die inbrünstigen Gesangseinlagen hervorstechen und herausstrahlen. Alle Mitglieder sind klare Meister ihres jeweiligen Faches. Die Drums sind perfekt akzentuiert und die jahrelange musikalische Erfahrung ist eindeutig hörbar.
Als nächstes erschallt ein fetziger Rock-Feger, der auf den Namen Rowdy Barrel (7) hört. Die bereits auf den vorherigen Tracks etablierte musikalische Muskulatur wird weiter unterstrichen. Ein Ohrwurm-garantierender Refrain setzt dem Song noch zusätzlich die Krone auf. Xysma lassen danach neben dem Introtrack die zweite Single des Albums, Sigh For Sore Mind (8) ertönen. Enorm eingängig und groovy, locker und hart zugleich mit einem wundervoll eskalierenden Refrain. Bei der Hälfte des Tracks erfolgt ein unerwarteter harmonischer Break, der von einer melodischen Lead-Gitarre komplettiert wird.
Der vorletzte Song Moose & Gutbucket (9) ist das brachiale Herzstück von “No Place Like Alone“. Harte und bestrafende Gitarren vermengen sich kurzzeitig mit Growls, die alten Death Metal-Sensibilitäten erstarken für kurze Dauer. Die Growls werden von pseudo-operatischen Vocals gefolgt, was ein weiteres Indiz für die absolute Unvorhersehbarkeit der Platte darstellt. Das Ende hört auf den Namen Encounter At Dawn (10) und baut sich behände kontinuierlich auf. Hier werden die wilden 70er akustisch gehuldigt. Zunächst durch ein spaciges Keyboard-Solo und letztendlich durch die abschließende Riffwalze, die den Song und somit auch das Album mit einem Knall zu Ende erzählt.
Nach 25 Jahren kreativer Schaffenspause melden sich die finnischen Pioniere Xysma mit “No Place Like Alone“ zurück. Dem fertigen Album sind die Reife und Vorsicht, mit denen es behandelt wurde, deutlich anzuhören. Es macht einfach eine Menge Spaß, auf diese wahnsinnige musikalische Reise mitgenommen zu werden. Ständig machen sich neue Wendungen breit. Ein Songverlauf kann gar nicht von Anfang bis Ende vorhergesehen werden.
Allerdings erscheint die kompositorische Qualität sich nicht nur darauf zu beziehen, möglichst verrückt oder gar randomisiert zu wirken. Sie folgt ihrer eigenen intrinsischen Logik. Was einst als widerwärtiger Grindcore begann, entfaltete sich nun in eine Stoner/Garage Rock-Kapelle, die wahrlich einzigartig daherkommt. Und ist es in der heutigen Musiklandschaft nicht das Wichtigste, sich vom Herkömmlichen abzukoppeln und durch eigene Charakteristika aufzufallen? Chapeau Xysma und willkommen zurück im kontemporären Musikzirkus! Viereinhalb von fünf mukken-Sternen.
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Hat dir diese Review zu den unbesungenen Helden Xysma gefallen? Würdest du dir mehr solche Beiträge über musikalische Nischen wünschen? Dann bleib auf dem Laufenden und sDie finnische Band Xysma hat seit sage und schreibe 25 Jahren kein Album mehr aufgenommen und 2023 mit “No Place Like Alone“ überraschend wieder zugeschlagen.chau regelmäßig auf das Magazin von mukken. Album Reviews, wie etwa zu Grave Pleasures neuestem Werk oder Cattle Decapitation´s Terrasite warten hier darauf, von dir entdeckt zu werden.
Ursprünglich veröffentlicht am 5. September 2023 aktualisiert am 5. September 2023
Fokusthema: Nothing But Thieves - Dead Club City
Originally published on September 5, 2023, updated on September 5, 2023
Fokusthema: Nothing But Thieves - Dead Club City