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You See Me Laughin: The Last Of The Hill Country Bluesmen – Schwanengesang eines Genres

Bild: Plantain Films

YSML Volle Doku (Youtube)

Wenn man sich den Verlauf der Musikgeschichte ansieht, dann erscheint es so, dass seit Ende der 80er Jahre mit der Schöpfung des Gangsta Rap ein authentisches Musikkollektiv gegründet wurde, was von der harten Realität der US-Amerikanischen Großstädte berichtet. Insbesondere über den Fakt, dass die Menschen, die angefangen haben zu musizieren und sich dadurch eines künstlerischen Sprachrohres zu bemächtigen, wird suggeriert, dass es sich hier um echte Kriminelle handelt. Bei vielen mag dies der Wahrheit entsprechen, einige andere wurden jedoch eines schamlosen Image-Aufbaus bezichtigt und im Endeffekt als Möchtegern-Gangster entlarvt.

In der brillanten Musikdokumentation You See Me Laughin´: The Last Of The Hill Country Bluesmen werden unbesungene Helden der Musikgeschichte beleuchtet, welche sich tatsächlich als die wahren Gangster innerhalb des Musikzirkels entpuppen. Diese Dokumentation erschien im Jahr 2002 und wurde von Mandy Stein realisiert. In dieser Doku geht es um illustre Gestalten wie R.L. Burnside, CeDell Davis, T-Model Ford oder Junior Kimbrough, die den rohen Sound des Hill Country Blues geprägt haben. Was es für interessante Einsichten gibt und was Bono von U2 mit allem zu tun hat, erfahrt ihr in diesem Artikel auf mukken.com!

Goin' Down South (Spotify)

Musikalische Gangster

Die Dokumentation vergeudet keine unnötige Zeit und wirft das Publikum direkt hinein in die schroffe, aber herzhafte Welt des Hill Country Blues, einer der letzten Zweige, der an den Originalgedanken dieses Genres festhält. Hier tummeln sich interessante Charaktere, die aus einem puren Lebensgefühl heraus die Gitarre in die Hand nahmen und damit begannen, Musik aus tiefster Seele zu manifestieren. You See Me Laughin´ stellt einen intensiven und intimen Einblick die sterbende Welt dieser faszinierenden Blues Persönlichkeiten dar. Genres wir Rock, Disco und sogar Rap haben prinzipiell alles dem Blues zu verdanken, der heutzutage viel zu unbesungen bleibt. Charismatisch und humoristisch werden sie vor die Kamera gebracht und plaudern aus dem Nähkästchen.

Die diversen Anekdoten von R.L. Burnside, T-Model Ford etc. sind charmant, roh und stellenweise schier unfassbar. So erzählt letzterer, wie er dermaßen von seinem Vater verprügelt wurde, dass er einen Hoden verlor. Oder Burnside, der schelmisch grinsend davon berichtet, wie er jemanden eiskalt in den Hinterkopf schoss und gleichgültig rechtfertigt, dass es eine Angelegenheit zwischen dem Herrn und dem Toten sei. Dies sind wahre, vom Leben gezeichnete Charaktere, die hart sind, ohne dabei krampfhaft versuchen, ein Image von Härte zu projizieren.

Bild: Fat Possum Records

Chicken Head Man (Spotify)

Von fetten Opossums

Neben den intimen Gesprächen mit den musikalischen Gangstern besticht Mandy Stein´s Dokumentation ebenfalls durch einige Skizzen, die besonders hanebüchene Stories stilistisch hervorheben, beispielsweise die Mordbeichte von R.L. Burnside. Diese werden dann eingeblendet und verleihen dem ohnehin schon rohen Bildmaterial eine zusätzliche Komponente der Rohheit. Zudem werden auch das Label Fat Possum Records und deren beiden Gründer interviewt, die es sich zu Lebensaufgabe machten, diese besondere Form des Blues für die Nachwelt zu präservieren. Denn die meisten der Hill Country Bluesmen, die in You See Me Laughin´ erscheinen, hatten niemals irgendeinen Anspruch darauf erhoben, aus ihrer Musik Profit zu schlagen.

Genau das Gegenteil war der Fall und sie wollten grundsätzlich einen musikalischen Zufluchtsort für sie und ihre gebeutelte Gemeinschaft erschaffen. Dank Fat Possum Records und deren humane und respektvolle Herangehensweise an die misstrauischen Afro-Amerikaner konnte eine Vielzahl handgemachter und aufregender Blues-Musik in die Welt hinausgetragen werden. Besondere Erwähnung verdient hier Johnny Farmer, der ein hervorragendes Werk veröffentlicht bekommen hat, obwohl er niemals im Sinn hatte, Geld mit seiner Musik zu machen, geschweige denn live aufzutreten.

Bild: Fat Possum Records

I've Been a Fool (Spotify)

Ein prätentiöser Ire und ein sympathischer Irrer

Um für eine höhere Massenkomptabilität zu sorgen, finden sich auch Bono, Frontmann von U2 und Iggy Pop, legendärer Sänger und ein Pionier des Punks, in Interviews wieder. Während Iggy Pop, oder Jim Osterberg, viel Mehrwert durch sein unbegrenztes Charisma und schönen Beobachtungen bezüglich des Blues anstellt, fühlt sich Bono`s Auftritt eher fehl am Platze an. Glücklicherweise ist er nur zu Beginn in ein paar wenigen Einspielern zu sehen, ein wenig schmälert sein inhaltsloses Geplapper dem Gesamteindruck der Doku jedoch schon.

Ein substanzieller Qualitätspunkt vonseiten Iggy Pops ist sein Kommentar darauf, dass der Blues eine unmessbare verführerische Kernkomponente in sich birgt. Ein Junior Kimbrough mit seinen über 30 gezeugten Kindern kann von diesem Statement mehrere Lieder singen. Während Iggy Pop einmal mit Junior Kimbrough und seiner Band gemeinsam auf Tour gehen konnte, erwähnt er nonchalant, dass die Leute aus Kimbrough´s Lager direkt aufs Ganze gingen und dem Mythos von Sex, Drugs & Rock´n´Roll (in diesem Fall Blues) zur konkreten Realität werden ließen.

Feels so Bad (Spotify)

Bild: Fat Possum Records

You See Me Laughin – Lebensgefühl Blues

Beim Betrachten dieser unfassbar ehrlichen und lockeren Dokumentation wird einem schnell klar, dass im Werk von Mandy Stein eine gewisse Kapitalismuskritik mitschwingt. Das wird zum einen deutlich durch die Entstehungsgeschichte von Fat Possum Records und deren unkonventionellen Verhandlungsmethoden, da die Bluesmen es gewohnt waren, von weißen Geschäftsleuten ausgebeutet zu werden. An dieser Stelle sei auf die 40-minütige Doku “It´s Bad You Know“ verwiesen, die ebenfalls wie You See Me Laughin´ in vollständiger Länge auf Youtube vorzufinden ist und ein exzellentes Begleitstück zu diesem Schauwerk darstellt. Vor allem aber durch den Fokus auf eine diesem System konträr eingestellte Musikbewegung.

Blues ist ein pures Lebensgefühl, was insbesondere durch den Hill Country Blues transportiert wird und nicht zwingend eine komplex durchdachte Botschaft beherbergt. Es ist Musik, die zum Bewegen animiert und ein verruchtes Lächeln aufs Gesicht zaubert, wenn sich die Laune im Minusbereich befindet. Die beste Musik entsteht aus einer regen Fantasie, die durch Talent und Willen in musikalische Form gebracht wird. Permanent läuft im Hintergrund der Doku die jeweilige Musik der dargestellten Musiker und wirkt so einen unaufhaltsamen Sog auf das Publikum aus, um die tranceartige Wirkung der Musik zu zementieren.

Bild: Fat Possum Records


It´s Bad You Know (Youtube)

Fazit zu You See Me Laughin`:

Wer bisher noch keinen großen Bezug zur Kultur und Musik des Blues finden konnte, dies aber gerne ändern würde, dem oder die ist die diese 77-minütige Dokumentation wärmstens ans Herz zu legen. Sie fegt völlig vorüber, die kurze Spielzeit ist genau richtig angesetzt und zieht sich zu keiner Sekunde. Innerhalb der Spiellänge gewährt sie einen Einblick in eine viel zu wenig besprochene Seite des US-amerikanischen Blues und gibt diesem eine wohlverdiente Plattform. Die einzelnen Schicksale, wie CeDell Davis, der aufgrund mehrerer herben Schicksalsschläge gezwungen war, unorthodox Gitarre zu spielen und T-Model Ford´s Leidensweg sind ein Testament an die transzendentale Kraft des Blues.

Ebenso die damit einhergehende Faszination und Gründung des Labels Fat Possum Records, um eben diese faszinierende Musik für die Ewigkeit sichern zu können, machen dieses Aspekt mehr als deutlich. Einzig Bono´s Inklusion in You See Me Laughin´ bleibt fragwürdig und gibt dem Gesamtwerk einen minimales Abstrich. Nichtsdestotrotz ist diese Doku ein journalistisches Juwel und sollte niemals, genauso wie der Hill Country Blues, niemals in Vergessenheit geraten.

Das mukken Magazin:

Wurde dein musikalischer, beziehungsweise filmischer Horizont mit diesem Artikel über die hervorragende Blues-Doku You See Me Laughin´: The Last Of The Hill Country Bluesman gehörig erweitert? Oder freust du dich schlichtweg darüber, dass über diese feine musikalische Subkultur einfach ein leidenschaftlicher Beitrag produziert wurde? Wenn die Antwort zu beiden Fragen Ja lautet, oder ehrlich gesagt, selbst wenn keines dieser Szenarien der Realität entsprechen sollte, dann bist du so oder so beim mukken Magazin bestens aufgehoben. Hier trägt unser begabtes Redaktionsteam die verschiedensten Themen rund aus der großen weiten Welt der Musik zusammen und gibt ihr eine liebevolle Plattform im Netz. Weitere großartige Dokumentation zu immens talentierten Musikern wie Iggy Pop in der gefeierten Dokumentation Gimme Danger von Ausnahmeregisseur Jim Jarmusch oder zu verhassten Figuren wie GG Allin in Hated haben hier einen Platz gefunden. Eine große Anzahl weiterer spannender Kategorien ist ebenfalls vertreten, also schau einfach auf unserer Website vorbei und lasse dich von uns entführen. Auf Social Media und auch in Form eines Podcast generieren wir zusätzliche Inhalte, wo du dich selbst von überzeugen lassen kannst. Schau vorbei und bleib gerne am Ball – weil Musik zusammenbringt!

Ursprünglich veröffentlicht am 28. Februar 2024 aktualisiert am 28. Februar 2024

Originally published on Februar 28, 2024, updated on Februar 28, 2024

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